Nimue Alban: Kampf um die Siddarmark: Roman (German Edition)
gezwungen hätte? Schließlich befand sich ja nicht nur er selbst, sondern auch seine unschuldige Schwester – seine einzige noch lebende Verwandte – in den Händen von Ketzern und Folterern.
Nein, meine Söhne, das war eine peinlich genau durchdachte und ebenso penibel ausgeführte Strategie. Und auch wenn Charis in der Siddarmark gescheitert ist, so hat es in Delferahk doch Erfolg gezeitigt. Es gilt erst noch herauszufinden, welche Folgen der Verrat durch Coris und die Skrupellosigkeit von Charis für uns haben werden. Aber ich sage euch allen, wir werden sehr, sehr wachsam sein müssen! Die Charisianer haben Daivyn und Irys in ihrer Gewalt. Sie werden die beiden zwingen, öffentlich jedwede Lüge zu verkünden, die den Charisianern dienlich sein mag. Wir hingegen kennen die Wahrheit . Uns liegen Augenzeugenberichte vor, die von Mord, Entführung und Brandstiftung berichten, von Vergewaltigungen und Plünderungen. Und Shan-wei, die Mutter der Lügen, weiß sehr wohl, wie sie die Wahrheit verderben und besudeln kann. Dieses Spiel hat sie schon zuvor gespielt. Dieses Spiel führte zur völligen Zerstörung des Armageddon-Riffs und dem Fall der Menschheit aus Gottes Gnade in die Gefangenschaft eines sündigen Daseins. Wir dürfen nicht wagen, es dieses Mal geschehen zu lassen, müssen wie Langhorne es beim ersten Mal verhindern. Wir müssen unbedingt dafür sorgen, dass die Wahrheit ans Licht kommt, überall auf ganz Safehold. Niemand darf Shan-weis schmutzige Lügen ungestraft verbreiten! Das ist die Botschaft, die uns Erzbischof Trumahn im Namen des Großinquisitors schickt. Und während ich hier stehe, wird die gleiche Botschaft auch in jedes andere Königreich entsandt, in jedes Fürstentum, in jede Kirche, an jeden Intendanten überall auf Gottes weiter Welt. Ich appelliere an euch alle als treue Söhne von Mutter Kirche, euer Bestes zu geben. Ich ersuche euch, die Wahrheit gegen all die üblen, verleumderischen Lügen zu verteidigen, die Priestermörder, Regentenmörder, Gotteslästerer und Ketzer verbreiten werden.«
Schweigen legte sich über den Dom. Thirsk starrte Lainyr an. Er wollte den Blick nicht abwenden, damit niemand sonst den Unglauben sah, der in seinen Augen glomm. Im Gegensatz zu allen anderen hier im Dom zu Gorath, hatte Lywys Gardynyr vor einiger Zeit Cayleb von Charis persönlich kennengelernt. Damals war Cayleb zwar nur der Kronprinz des Königreichs gewesen, noch nicht König oder gar Kaiser. Doch manche Eigenschaften durchdringen einen Menschen ganz und gar: unveränderlich wie Fels, weniger nachgiebig als Stahl. Wenn Cayleb es für notwendig hielt, konnte er seinen Feinden gegenüber wahrlich skrupellos sein. Auch das wusste Thirsk aus eigener Erfahrung. Aber würde sich Cayleb von Charis jemals in der Art und Weise entehren, wie Lainyr das soeben beschrieben hatte? Würde er hilflose Kinder misshandeln oder foltern? Nein, niemals! Nicht dieser Mann! Das würde er niemals tun, welcher Vorteil auch immer sich daraus für ihn möglicherweise ergäbe. Derlei Dinge, wie sie Bischof-Vollstrecker Wylsynn Lainyr gerade beschrieben hatte, taten Männer wie Zhaspahr Clyntahn . Cayleb Ahrmahk würde sich niemals auf dessen Niveau herablassen. Der Kaiser von Charis mochte ein für alle Zeiten verdammter Ketzer sein, ein Abtrünniger und ein Gotteslästerer, ja, das vielleicht. Aber er war immer noch ein Mann von Ehre … und er würde niemals zu Folter greifen.
Mindestens eine ganze Minute lang blickte sich Lainyr nur schweigend in den Sitzreihen des Doms um. Dann atmete er so tief durch, dass seine Nasenflügel bebten.
»Und nun, meine Söhne«, sagte er leise, »bitte ich Euch, mit mir die Fürbitten zu sprechen. Bitten wir Langhorne und Chihiro darum, ihre Diener Irys und Daivyn in der Hand der Gottlosen zu beschützen. Und bitten wir auch die Heilige Bédard und all die anderen Engel und Erzengel darum, ihnen in dieser Zeit der Gefahren und der Heimsuchungen beizustehen und ihnen Trost zu spenden. Es ist an uns, ihren Dienern in dieser Welt, jenen Bruder und jene Schwester und zugleich alle Kinder Gottes vom Joch der Ketzerei und des Bösen zu befreien. Also widmen wir uns erneut diesem heiligen Ziel, während wir Irys und Daivyn dem Schutz und dem Trost der Engel und Erzengel anempfehlen!«
.V.
HMS Destiny ,
Meer der Gerechtigkeit
»Ist das fantastisch! «
Prinzessin Irys Zhorzhet Mahra Daykyn schüttelte den Kopf, als der kleine, drahtige Junge vor Freude jubelte. Er hatte sich zwar
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