Nimue Alban: Kampf um die Siddarmark: Roman (German Edition)
werdet ihr mittlerweile gewiss schon ungeheuerliche Dinge aus Delferahk gehört haben«, fuhr Lainyr mit rauer Stimme fort. »Zwar mag
wenig Wahrheit in dem liegen, was uns bislang zu Ohren gekommen ist, aber bedauerlicherweise entbehren all diese Gerüchte mitnichten einer Grundlage. Charisianische Agenten haben Prinzessin Irys und Prinz Daivyn entführt.«
Ein Raunen ging durch den Dom. Angesichts einiger geflüsterter Bemerkungen musste sich Gardynyr immens zusammenreißen, nicht laut aufzulachen. War es wirklich möglich, dass diese Leute noch nichts von den ›Gerüchten‹ mitbekommen hatten, von denen Lainyr hier sprach? Wenn sie wirklich derart schlecht informiert waren, dann hatte das Königreich noch ungleich mehr Probleme, als Gardynyr bislang gedacht hatte.
»Natürlich werden die von Shan-wei Besessenen eine ganz andere Geschichte erzählen«, fuhr Lainyr fort. »Schon jetzt hat Shan-weis Behauptung, der Prinz und die Prinzessin seien mitnichten entführt, sondern vielmehr befreit worden, ihre giftigen Wurzeln im allzu fruchtbaren Mutterboden von Delferahk geschlagen. Zu gegebener Zeit wird gewiss das auch die offizielle Lüge sein, die das sogenannte Kaiserreich Charis und sein für alle Zeiten verdammtes Kaiserpaar verbreiten lassen. Doch die Wahrheit sieht ganz anders aus. Graf Coris, dessen Aufgabe es war, den Prinzen zu beschützen und über dessen Schwester zu wachen, hat die beiden vielmehr an eben jene Charisianer verkauft, die den Vater der beiden Kinder in Corisande haben ermorden lassen. Ja, es sind sogar Beweise dafür aufgetaucht, dass es Coris selbst war, der den Attentätern des exkommunizierten Gotteslästerers Cayleb überhaupt erst die Möglichkeit verschafft hat, unbemerkt nach Manchyr zu gelangen. Die Inquisition und König Zhames’ Ermittler haben noch nicht herausgefunden, wie er von Delferahk aus mit Cayleb und Sharleyan von Charis in Kontakt gestanden hat. Aber es ist ganz offensichtlich, dass dem so gewesen sein muss. Als Daivyn Daykyn zusammen mit seiner Schwester in Delferahk Zuflucht fand, hat König Zhames Graf Coris gestattet, eigene Gardisten anzuheuern, deren ausdrückliche Aufgabe es sein sollte, den rechtmäßigen Regenten des eroberten, blutenden Fürstentums Corisande zu beschützen. Und eben jene ›Gardisten‹ waren dem Grafen nun bei der Entführung der beiden Kinder behilflich.
Damit niemand auch nur einen Augenblick daran zweifelt, dass es sich um eine Entführung handelt, möge Folgendes reichen: Der charisianische Agent, der diesen verbrecherischen Akt vollführt hat, was Merlin Athrawes persönlich – der angebliche Seijin , der Cayleb Ahrmahk als persönlicher Waffenträger dient. Mit Hilfe der verderbten Künste Shan-weis ist es diesem Mann gelungen, eine ganze Kompanie der Königlichen Garde von Delferahk abzuschlachten. Deren einziges Ziel war es, Daivyn und Irys zu beschützen. Wir sprechen hier von Gardisten, die auf direkte Anweisung Bischof Mytchails, des Intendanten von Delferahk, die schutzlosen Waisen bewachen sollten.
Pater Gaisbyrt – ein Gehilfe Bischof Mytchails, der das uneingeschränkte Vertrauen des Bischofs genießt –, und ein weiteres Mitglied seines Ordens hatte man ausgeschickt, sich der Sicherheit des Prinzen zu vergewissern. Beide wurden kaltblütig ermordet.
Zwei Gardisten, die dieses Massaker überlebt haben, berichten übereinstimmend, Prinzessin Irys habe um Hilfe gerufen. Sie hat darum gebettelt, ihren Bruder vor eben jenen Mördern zu beschützen, die schon ihrem Vater das Leben genommen haben. Doch Shan-wei persönlich hat wieder unsere Welt betreten, und sie ist schlimmer als je zuvor nach ihrem tiefen Fall. Wir wissen nicht, mit welch verderbten Waffen sie ihren Diener Athrawes ausgestattet hat. Aber wir wissen, dass sterbliche Menschen diesen Waffen nichts entgegenzusetzen hatten. Bevor Athrawes seine schändliche Tat vollendete, hat er die eine Hälfte des Schlosses von Talkyra niedergebrannt und die andere in die Luft gesprengt. Er hat die besten Pferde aus König Zhames’ Stallungen gestohlen, und dann haben der Verräter Coris und er Prinzessin Irys aufs Pferd gefesselt. Ja, sie haben es wahrlich gewagt, eine hilflose, junge Maid zu fesseln, die sich verzweifelt gewehrt hat. Danach hat Athrawes selbst, Caylebs persönlicher Waffenträger, Prinz Daivyn zu sich in den Sattel genommen, so sehr der Junge auch um Hilfe geschrien hat. Gemeinsam sind sie von den lodernden Ruinen der Festung, in der Hektors Kinder
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