Nimue Alban: Kampf um die Siddarmark: Roman (German Edition)
Ahlfryds Treue oder seinem Intellekt. Doch Bryahn Lock Island hatte sich ganz zurecht um seinen Freund gesorgt.
Zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort, hätte man Ahlfryd Hyndryk vermutlich einen Nerd genannt, vielleicht auch einen Geek. Und wie alle Angehörigen dieses besonderen Menschenschlags hatte er beachtlich wenig Geduld mit Hinterlist, mit Ausflüchten und mit Heimlichtuerei gleich welcher Art. Die schiere Freude am Wissen und seine Ungeduld, endlich die Technologie wiederzuerringen, die Safehold der Ächtungen der Jwo-jeng wegen so lange Zeit verwehrt geblieben war, hätten ihn dazu gebracht, die Grenzen für mögliche Neuerungen viel zu rasch zu überschreiten. Schlimmer aber noch wäre sein Zorn gewesen. Die gesamte Bevölkerung der letzten Welt, die der Menschheit noch verblieben war, war derart belogen und betrogen und ihr der Weg zu den Sternen verwehrt worden. Damit hätte er Lock Islands Meinung nach nicht umgehen können; die Kombination aus Ungeduld und Zorn wäre fatal gewesen. Zu schnell und zu offen hätte sich Hyndryk, mit dem Wissen um die Wahrheit gesegnet, den Ächtungen entgegengestellt. Ihm war durchaus zuzutrauen, in aller Öffentlichkeit ihre Gültigkeit zu bestreiten und offen die Lehren der Kirche des Verheißenen zurückzuweisen. Vielleicht würde er sogar der ganzen Welt gegenüber erklären wollen, dass diese Kirche nichts als ein einziges, gewaltiges Lügengebäude sei. Politisch fatal, wenn sich Charis gerade im Krieg gegen die ›Vierer-Gruppe‹ befand.
Nachdenklich blickte Merlin über die blauen Wellen von King’s Harbour hinweg. Er betrachtete die zahllosen Schiffe, die dort geschäftig hin und her kreuzten. Dass es an diesem Ort so lebhaft zuging, war nicht zuletzt Seamounts immensem Einfallsreichtum und seiner überbordenden Energie zu verdanken. Eisig blitzten Merlins Saphiraugen. Noch durften sie nicht die Wahrheit über die ›Erzengel‹ verraten, über die Kirche, über Langhornes ›Rakurai‹ und über das Armageddon-Riff. Noch nicht . Momentan hätten derartige Enthüllungen genau der ›Vierer-Gruppe‹ in die Hände gespielt, die sich nach Kräften bemühte, Charis und seine Verbündeten als verlogene, gotteslästerliche Diener der Verderbnis darzustellen. Hätte sich Seamount aber als echte Gefahr für die Geheimnisse herausgestellt, die sie alle hüteten, hätten die Eingeweihten diese Bedrohung, also ihn, ausschalten müssen … endgültig.
»Ich gebe Euch mein Wort, Sharleyan«, versicherte Merlin nun leise über das Com, »in dem Augenblick, in dem ich es ihm gefahrlos erklären kann, werde ich es tun.« Er grinste schief. »Es wäre ja auch nicht das erste Mal, dass ich die Bruderschaft … öhm, übergangen habe, wie Ihr Euch gewiss erinnern werdet. Und wenn ich Ahlfryd einweihe und sich dann herausstellt, dass ich mich getäuscht habe und die Geheimnisse doch bedroht sind, zerre ich ihn in Nimues Höhle und stopfe ihn da in einen KryoTank, bis man ihn wieder gefahrlos auf die Menschheit loslassen kann.« Mit Hilfe der SNARC-Fernsonde, die genau über dem Konferenztisch fast unsichtbar an der Decke des Turmzimmers hing, sah Merlin, dass die Kaiserin mit einem erstaunten Lächeln den Kopf hob. Leise lachte der Seijin in sich hinein. »Für allzu viele Leute habe ich da nicht Platz«, erklärte er. »Aber Ahlfryd ist nun einmal jemand Besonderes. Selbst als momentane Bedrohung ist er zu wertvoll für uns: Wir brauchen ihn, wenn wir unsere Technologie-Basis ganz offen ausbauen!«
»Daran hatte ich noch gar nicht gedacht.« Cayleb klang verstimmt.
»Na ja, Ihr seid ja auch nicht gerade mit dieser Art Technologie aufgewachsen, nicht wahr?« Wieder zuckte Merlin mit den Schultern. »Es taugt eh nur als letztes Mittel. Ahlfryd ist nun einmal da, wo wir ihn im Augenblick haben, verdammt zu nützlich. Ist Euch bewusst, dass er selbst ohne Zugriff auf Owl mehr neue Ideen entwickelt hat als Ehdwyrd?«
»Ihr solltet nicht ungerecht sein, Merlin«, mahnte ihn Staynair. »Ehdwyrd geht ganz bewusst jegliche Neuerungen mit äußerster Vorsicht an – und wo immer er kann, schreibt er die eigentliche Neuentwicklung jemand anderem zu.«
»Das weiß ich doch auch, Maikel! Ich wollte nur noch einmal Ahlfryds Bedeutung für uns betonen. Ihm sind so viele neue Ideen gekommen, und er hat so viele seiner Assistenten – wie eben Mahndrayn – dazu gebracht, ebenfalls eigenständige Ideen zu entwickeln. Selbst die Konzepte, auf die ich ihn behutsam hingelenkt habe, hat
Weitere Kostenlose Bücher