Nimue Alban: Kampf um die Siddarmark: Roman (German Edition)
ich, wäre ich Chisholmianer, ebenso gedacht. Aber Einstellungen wie diese oder vielleicht besser: vor allem emotionale Einstellungen wie diese können das Denken von Menschen in ungeahnter Art und Weise beeinflussen.«
»Oh, das weiß ich«, schnaubte Aplyn-Ahrmahk. »Der große Trick besteht darin, in einem solchen Fall über seinen eigenen Schatten zu springen. Ich finde, sich selbst immer wieder daran zu erinnern, das so etwas passieren kann, ist der erste Schritt dazu. Schwierig bleibt es trotzdem.«
Sein Blick wanderte von Lock Island zu Prinzessin Irys und Prinz Daivyn hinüber. Das Geschwisterpaar stand mit Blick auf die Insel im Schatten der Plane, die man über dem Achterdeck aufgespannt hatte.
»Ja, das stimmt«, bestätigte Coris und folgte dem Blick des jungen Lieutenants. »Vor allem Irys ist es immens schwergefallen. Sie hat ihren Vater sehr geliebt. Und in erster Linie war Hektor nun einmal ihr Vater und erst dann auch ihr Fürst. Wahrscheinlich wird sie die Erste sein, die offen zugibt, seine Ambitionen geteilt zu haben – zumindest indirekt. Aber das lag eben daran, dass es seine Ambitionen waren, nicht von Grund auf die ihren.«
»Ach, nicht?« Aplyn-Ahrmahk blickte Coris geradewegs in die Augen.
»Er war ihr Vater , Euer Durchlaucht.« Traurig lächelte Coris. »Jedem fällt es schwer, zuzugeben, dass der geliebte Vater nicht fehlerlos ist. Und wer kann sich gar eingestehen, dass andere Menschen diesen Vater für einen Schurken halten? Für eine Tochter ist das wahrscheinlich sogar noch schwerer als für einen Sohn. Aber wie Ihnen sicher schon aufgefallen ist, verfügt meine Prinzessin über einen sehr wachen Verstand. Sie würde sich niemals wissentlich selbst belügen. Sie liebt ihren Vater immer noch, und das wird sich auch niemals ändern. Aber das bedeutet nicht, sie würde die Augen davor verschließen, dass andere ihn eben nicht geliebt haben. Und sie ist eine Prinzessin: die einzige Schwester des rechtmäßigen Fürsten von Corisande. In Dingen der Politik und der Diplomatie kennt sie sich sehr wohl aus … So wenig ihr das selbst behagen mag, sie weiß, wer den Krieg zwischen Corisande und Charis begonnen hat.«
»Über derlei Dinge habe ich nie mit ihr gesprochen. Hauptsächlich wohl, weil ich mir ziemlich sicher bin, dass sie mir dabei nicht beipflichten würde.«
»In dieser Hinsicht wären Sie vielleicht überrascht.« Ein Schulterzucken, dann sprach der Graf weiter. »Ich selbst habe lange mit ihr darüber gesprochen, was mir natürlich einen gewissen unfairen Vorteil dabei verschafft, abzuschätzen, wie sie wohl reagieren wird. Dass ich sie schon seit ihrer Geburt kenne, vergrößert diesen Vorteil vermutlich noch. Aber im Laufe der letzten Jahre hat sie sich verändert. Sehr sogar.«
Bei den letzten beiden Worten verdüsterte sich sein Blick. Auch er schaute nun zu Irys hinüber. Sie stand neben ihrer neu gewonnenen Reisegefährtin, einer recht hochgewachsenen, blonden Frau. Diese sagte etwas und brachte Irys dazu zu lächeln. Daivyn zupfte seine Schwester ungeduldig am Ärmel und deutete hinüber zu der Insel, auf der er etwas erspäht hatte.
»Das erlebt man in letzter Zeit häufiger, Mein Lord«, erwiderte Aplyn-Ahrmahk. »Vermutlich wird es noch deutlich schlimmer werden, bevor sich die Lage wieder bessert.«
»Es wird Dinge geben, die sich verschlimmern, ja. Dennoch wird es auch Dinge geben, die sich verbessern«, gab Coris zu bedenken. »Das habe ich auch Irys gesagt. Allmählich glaubt sie es mir sogar.«
»Das hoffe ich sehr«, sagte Aplyn-Ahrmahk leise. »Daivyn und sie haben schon so viel verloren. Mehr auf ihre Schultern zu laden wäre … zu viel.«
Langsam und bedächtig nickte Coris. Er hatte den Blick nicht vom Prinzenpaar genommen, aber sehr wohl den Ton gehört, in dem der Lieutenant seine letzte Äußerung getan hatte. Er wusste diesen Ton zu schätzen. Herzog hin oder her, Aplyn-Ahrmahk war keine siebzehn Jahre alt, wahrlich nicht der graubärtige, welterfahrene Berater seines Kaisers. Dennoch war der junge Mann erstaunlich reif für sein Alter – ein junger Bursche, der Dinge gesehen und getan hatte, die andere Männer, dreimal so alt wie er, verängstigt hätten. Auch wenn seine Eltern Bürgerliche waren, hatten Kaiser und Kaiserin von Charis diesen jungen Mann adoptiert. Offenkundig, so jedenfalls ging es Coris durch den Kopf, wusste der junge Bursche neben ihm gar nicht so recht, was das zu bedeuten hatte.
»Ich möchte auch nicht, dass die
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