Nimue Alban: Kampf um die Siddarmark: Roman (German Edition)
Polstersessel gönnen , dachte Parkair grantig und lächelte dann unwillkürlich. Na, wenn das nicht die hehre Gesinnung und die Selbstlosigkeit ist, nach denen dieses Amt verlangt!
»Sieht aus, als bliebe der Schnee dieses Mal liegen, Liebling«, sagte die zierliche Frau, die ihm am Tisch gegenübersaß. Mit beiden Händen umschloss sie ihre Teetasse. Zhain Parkair, Lady Shairncross, war acht Jahre jünger als ihr Gemahl. Sein kastanienbraunes Haar war im Laufe der Jahre eisengrau geworden (und merklich spärlicher). Doch in ihrem Haar gab es lediglich einige silbrige Strähnen. Fünfundzwanzig Sommer im Norden und ebenso viele Winter hatten ihr Krähenfüße beschert, ja. Doch die Schönheit der Neunzehnjährigen, die Weslai Parkair einst geheiratet hatte, war immer noch unverkennbar. Das vergangene Vierteljahrhundert hatten ihr unerschütterliche Stärke und ihrer Persönlichkeit beachtliche Tiefe geschenkt.
»Hmpf!« , schnaubte Parkair nun. »Wenn das passiert, kommt das ganze Leben in der Stadt zum Erliegen! Dann kauern sich alle um ihre Feuerstellen, bis der Schnee wieder schmilzt.« Erneut stieß er ein Schnauben aus, das all seine Verachtung für die verweichlichten Tiefländer ausdrückte. »Diese Leute wüssten doch gar nicht, was sie bei richtigem Schneefall tun müssten, das weißt du doch selbst, Zhain!«
»Ja, natürlich, Liebling, was auch immer du meinst!« Lady Zhain lächelte zuckersüß und nippte an ihrem Tee. Ihr Mann bedachte sie mit einem finsteren Blick, musste dann aber doch lächeln. Seine Frau ließ die Tasse sinken und wirkte plötzlich ernst.
»Also ist der Rat zu einer Entscheidung gekommen?« Ihr Tonfall verwandelte die Frage in eine Feststellung; aufmerksam blickte sie ihren Gemahl an.
»Wie kommst du darauf?«, fragte er, griff nach seiner Gabel und widmete sich ganz dem Omelett auf seinem Teller.
»Weil du so fröhlich bist und übers ganze Gesicht strahlst zum Beispiel«, erwiderte seine Frau gelassen. »Ganz zu schweigen davon, dass du dich gleich mit Suwail und Zhaksyn zusammensetzen willst. Du weißt, dass ich Ersteren schlichtweg verabscheue und Letzteren wirklich gern mag.«
»Du, Weib, bist entschieden zu klug, weißt du das?« Parkair spießte ein weiteres Stückchen Omelett auf und schob es sich in den Mund. Schinken, Zwiebeln und geschmolzener Käse waren köstlich. Daher nahm er sich Zeit, den Bissen zu genießen, ehe er wieder zu Lady Zhain hinüberblickte. »Du kennst mich viel zu lange und viel zu gut. Für dich bin ich ein offenes Buch!«
»Oh nein, Vater, nicht etwas so Dekadentes wie ein Buch! « Der junge Mann, der zusammen mit den beiden am Tisch saß, schüttelte den Kopf. »Mutter würde dich niemals derart beleidigen, das weiß ich genau!«
»Du hast noch drei jüngere Brüder, Adym«, gab Parkair zu bedenken. »Was heißt, mindestens zwei von euch sind überflüssig. Ich an deiner Stelle behielte das stets im Hinterkopf!«
»Mutter wird mich schon beschützen.« Adym Parkair lächelte, doch das Lächeln verschwand sofort wieder. Fragend neigte er den Kopf – eine Geste, die er zweifellos von seiner Mutter übernommen hatte. »Aber sie hat doch recht, oder? Der Rat ist wirklich zu einer Entscheidung gekommen.«
»Ja, richtig.« Parkair blickte hinunter auf sein Omelett. Dann verzog er das Gesicht, legte die Gabel beiseite und griff nach der Teetasse. »Es ist genau die Entscheidung, die ich schon erwartet hatte.«
Zhain und Adym Parkair warfen einander einen kurzen Blick zu. Die meisten Clanlords von Raven’s Land neigten zu Missmut, und zwar ausgeprägt genug, um der ganzen Welt ein Klischee über das Volk von Raven’s Land zu bescheren. Parkair allerdings entsprach diesem Klischee nicht. Trotz seiner nur halb scherzhaft gemeinten Ablehnung von allem, was nach Bücherweisheit roch, war er warmherzig und humorvoll. Im selben Maß zeichneten ihn Pragmatismus und Weisheit aus – ein Grund dafür, dass er schon so lange Sprecher des Rates war. Am heutigen Tag war von Parkairs Humor nichts zu spüren, so sehr er sich auch bemühte, seine Stimmung zu heben. Weslai Parkair nämlich war ein zutiefst gläubiger Mensch. Die Frage, mit der sich der Rat der Clanlords den ganzen letzten Fünftag über befasst hatte, machte ihm schwer zu schaffen.
»Also wird der Rat ihnen freies Geleit zusichern?«, erkundigte sich sein Sohn leise. Sein Vater zog ein Grimasse.
»Wie deine Mutter gerade schon angemerkt hat, hätte mich sonst wohl nichts in der Welt dazu
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