Nina 04 - Nina und das Raetsel von Atlantis
Androidenfrau lächelte erleichtert. »Perfekt! Dann werde ich zum Palazzo Ca d’Oro gehen und Visciolo, Alvise und Barbessa holen. Sie vertrauen mir und werden mich hineinlassen, ohne Verdacht zu schöpfen. So können wir sie alle ins Gefängnis bringen.«
Die drei Frauen gaben sich zum Zeichen ihrer Freundschaft die Hände. Dann zerrten sie das große Netz mit Karkon zusammen durch den Park bis zum Tor der Villa Espasia. Aber sie erlebten eine Überraschung.
Auf der anderen Seite der Brücke stand eine Schar schweigender Kinder. Es waren mehrere Hundert. Reglos und kerzengrade wie kleine, marschbereite Soldaten sahen sie die drei Frauen an und gaben keinen Laut von sich.
Es schlug Mitternacht. Der Klang der Glocken leitete eine neue Stufe der Stillen Revolution ein. Und überall flogen weiterhin die Schwalben umher. Auf den Dächern, den Laternen und den Fensterbrettern saßen sie und wirbelten mit dem Geflatter ihrer spitzen Flügel die Luft auf.
Die Androidenfrau machte einen Schritt auf die Kinder zu. »Ich bin Andora. Erinnert ihr euch?«, fragte sie laut. Alle Kinder nickten.
Feierlich zeigte die Androidenfrau auf den gefangenen Grafen Karkon Ca’ d’Oro. Und ein lautes Getöse erhob sich unter dem dunklen Nachthimmel. Die Kinder jubelten und warfen die Hände in die Luft. Aber die Metallfrau bedeutete ihnen, leise zu bleiben. Der Lärm drohte, die Venezianer aufzuwecken, bevor die Angelegenheit wirklich erledigt war. Nur Platon und Adonis, die aus der Menge der Kinder aufgetaucht waren, näherten sich dem Netz und beschnüffelten die fette Beute.
Das Kinderheer war wieder mucksmäuschenstill geworden.
»Eure Stille Revolution ist sehr wichtig. Begleitet Ninas Tanten zum Gefängnis und liefert den niederträchtigen Karkon dort ab. Tut es für Nina. Tut es für die Freiheit eurer Gedanken«, sagte ihnen die Androidenfrau.
Ein Junge kam auf sie zu und sagte: »Du bist kein Mensch!«
»Das stimmt. Ich habe eine künstliche Haut und anstatt Blut fließt eine andere Substanz in meinen Adern, die mich am Leben hält. Aber heute fühle ich mich menschlicher denn je. Ich spüre das Gute in meinem Herzen. Habt Vertrauen zu mir. Ihr werdet es nicht bereuen.«
Carmen und die wahre Andora schleppten das Netz mit Karkon über die Brücke. Die Kinderschar machte Platz. Der Graf röchelte hilflos.
Die Androidenfrau lief los. »Tut, was ich euch gesagt habe! Ich gehe nun zum Palazzo Ca d’Oro. Wir werden uns in einer Stunde beim Gefängnis wiedersehen!«, rief sie ihren Verbündeten zu.
In einem feierlichen Marsch folgten die vielen Kinder den beiden Tanten, die das Netz mit ihrer großen Beute durch die verlassenen, von Laternen erleuchteten Gassen schleppten. Schwärme von Schwalben begleiteten hoch am Himmel die Gruppe der Aufständischen.
Karkon war wieder bei Bewusstsein und suchte mit aufgerissenen Augen verzweifelt nach einem Ausweg. Über seinem Kopf sah er Hunderte von Schwalben fliegen. Bei diesem Anblick schnürte sich seine Kehle zu. Er spürte das Ende seiner Tage nahen. Denn diese Schwalben standen für die Befreiung der Fantasie der Kinder, und die waren nun zu seinen schärfsten Gegnern geworden. Nur ein Gedanke beruhigte ihn ein wenig: Für Nina und ihre Freunde würde die Reise keineswegs ein gutes Ende nehmen. Die Alchitarotkarte Got Malus würde schon bald ihren gewaltsamen Angriff starten.
Der Graf fühlte sich somit noch nicht endgültig besiegt, auch wenn seine Gefangennahme und der Transport in diesem Netz eine unendliche Erniedrigung für ihn darstellten.
Während die beiden spanischen Tanten ihn durch Venedigs Straßen zogen, war die Androiden-Andora dabei, ihren Plan in die Tat umzusetzen. An der Tür zum Palazzo Ca’ d’Oro angelangt, drückte sie die Klingel.
Visciolo, der schon schlief, brauchte ein paar Minuten, bevor er zur Tür kam, um nachzusehen, wer zu so später Stunde eintreten wollte.
»Andora!«, rief er überrascht.
»Los, mach mir auf! Ich hab es eilig«, antwortete die Androidenfrau kurz angebunden. Im Hof fragte sie ihn in aller Eile, wo die Zwillinge waren.
Doch Visciolo griff ihren Arm und schüttelte sie. »Sag mir, wo ist der Graf? Seid ihr nicht in die Villa Espasia gegangen, um das Knebelpech zu vergießen?«
»Es lief alles nach Plan. Und jetzt lass mich los. Der Graf erwartet mich - vor dem Gefängnis«, sagte sie überzeugend und starrte auf die dreckige Binde des Einäugigen.
»Vor dem Gefängnis? Warum trefft ihr euch denn dort?«, fragte der
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