Nina, so gefällst Du mir
Kirsten Roed hat gestern angerufen und ihn aufgefordert. Zu dumm, daß du zu spät gekommen bist. Aber so ist es mitden vielbegehrten Kavalieren. Weißt du, Gunnar hätte sich bestimmt geschmeichelt gefühlt…“
„Ja, aber… könnten Sie… ich wollte…“ Frau Espetun half ihr: „Nein, weißt du was, ich erzähle überhaupt nicht, daß du angeläutet hast. Es ist gar nicht gesund für den Jungen, wenn er merkt, daß er so begehrt ist, nicht wahr?“ Frau Espetun lachte munter. Nina hätte sie umarmen können!
„Das ist sicher richtig, Frau Espetun. Ich wollte ja auch nur fragen. Es ist gar nicht schlimm. Ich habe genug Jungens, die ich einladen kann.“
„Ja, daran zweifle ich nicht. Und dann wünsche ich dir auch viel Vergnügen, Ninachen.“
Nina legte den Hörer auf. Sie mußte erst ein paarmal tief aufatmen, ehe sie das Telefon wieder aufnahm und Nils Samuelsen zum Abschluß fest einlud.
Die jungen Mädchen hatten sich viel Mühe gemacht und die Wände mit Vögeln und Fischen, Braten, Gemüsen und Obst dekoriert, die auf Papierrollen gemalt waren. Das Essen war untadelig, und sie hatten sich damit redlich geplagt.
Und dann kamen die Gäste, muntere Jungen, die mit reizender Offenheit erzählten, daß sie das Mittagessen übersprungen hätten, weil sie genügend Platz für das Essen in einer Haushaltungsschule haben wollten.
Es wurde gealbert, sie zogen sich gegenseitig auf und lachten. Keiner war so laut und keiner lachte so viel wie Nina. Sie hatte vor Aufregung rote Flecken auf ihren Wangen. Der Lippenstift glänzte um die Wette mit dem Nagellack, und sie tanzte auf hohen, bleistiftspitzen Hacken.
Es wäre ja noch schöner, wenn sie auf Gunnar angewiesen sein sollte, um sich zu amüsieren! Er sollte ruhig sehen, daß es noch andere gab, die gern mit ihr zusammen waren. Freunde hatte sie zum Glück genug.
Ein einziges Mal forderte Gunnar sie zum Tanzen auf. Sie lachte und plapperte die ganze Zeit, redete in ihrem Schülerjargon und war angestrengt lebhaft. Oh, sie war in glänzender Feststimmung! Ihr ging es blendend.
Gunnar war stumm.
Bei Tisch saß sie ihm und Kirsten genau gegenüber. Kirsten war von allen jungen Mädchen am wenigsten hübsch. Aber sie hatte ein paar gute, fröhliche Augen, und sie war auf ihre eigene stille Art drollig. Gunnar hörte mit einem kleinen Lächeln zu, als Kirsten von den Schnitzern erzählte, die ihr in der Haushaltungsschule passiert waren. Sie hatte einmal in der Eile statt einer Tasse Zucker eine Tasse Salz genommen – ja, und einmal hatte sie den Bratofen auf voll geschaltet, anstatt ihn auszuschalten, und dann war der Braten natürlich ein schwarzverbrannter Klumpen geworden…
Nina hörte zu. Nicht zu glauben, daß Kirsten dasaß und von ihren eigenen Schnitzern erzählen mochte – und daß sie selbst darüber lachen konnte! Und Gunnar lachte mit! Diese blöden kleinen Geschichten aus der Schule konnten doch unmöglich etwas für ihn sein mit all seiner Intelligenz!
Sie waren zum Glanzpunkt des Festmahls gekommen: einem wohlgelungenen Gänsebraten.
„Ob ich es wohl wage, Fräulein Kirsten?“ sagte Gunnar gutmütig neckend. „Wenn Sie ihn gebraten haben, dann haben Sie wahrscheinlich Scheuerpulver genommen anstelle von Salz…“
„Nein, aber Roßkastanien anstelle von echten“, lachte Kirsten. „Das ist etwas schauderhaft Vornehmes: ,Gans mit Kastanien’ – oder ,Oie farcie aux Marons’, wenn Sie es auf französisch wissen wollen.“
„Bringst du Herrn Wigdahl Französisch bei?“ sagte Nina über den Tisch hinüber. „Das nenne ich wahrhaftig Eulen nach Rom tragen…“
Da blickte Gunnar hoch und richtete den Blick auf Nina, auf dies aufgeregte, unnatürliche Gesicht, und er antwortete mit einem spöttischen kleinen Lächeln in den Mundwinkeln: „Es heißt Eulen nach Athen tragen, Fräulein Löge. Eulen nannte man die Münzen in Athen, weil darauf eine Eule geprägt war, das Sinnbild der klugen Göttin Athene. Man brauchte diese 'Eulen’ nicht erst nach Athen zu tragen, weil es dort schon genug gab. Aber was ich sagen wollte, jetzt handelt es sich nicht um eine Eule, sondern um eine Gans. Sie müssen mich ein bißchen aufklären, Fräulein Kirsten – was ist denn dieses Grüne da? Ach, jetzt sehe ich. Das ist ja Rosenkohl…!“
Gunnar langte zu, und die Unterhaltung mit Kirsten ging munter weiter, während Nina mit Schamröte auf den Wangen dasaß und Gunnar am liebsten erwürgen wollte, weil er sie so blamiert hatte…
Der Tag
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