Nina, so gefällst Du mir
Gummibäumen macht und das Rohmaterial sozusagen von Grund auf studiert.“
„Oh, haben Sie aber Glück!“ entfuhr es Nina. Espetun schmunzelte. „Und wie ich Gunnar kenne, wird er die Sprache der Eingeborenen noch gründlicher studieren als das Zapfen des Gummis. Er ist in dieser Beziehung erblich belastet, mußt du wissen.“
Gunnar wehrte etwas ungeduldig ab und richtete den Blick auf Nina. Seine Stimme klang munter und vergnügt – sehr vergnügt, sehr eifrig, als er fragte: „Wo wollen wir denn heute nachmittag hinfahren, Fräulein Löge? Sie kennen doch Lilleviks Umgebung besser als ich.“
„Fahrt doch nach Lynghei. Dann könnt ihr oben im Hotel Kaffee trinken“, schlug Espetun vor.
„Lynghei, das hört sich hübsch an“, sagte Gunnar. Er hatte sich kerzengerade hingesetzt. Plötzlich interessierte er sich ungemein für die Autofahrt dieses Nachmittags – oder er tat wenigstens so.
„Dort ist es wirklich hübsch. Im Sommer natürlich am hübschesten und auch im Herbst. Aber jetzt im Frühling ist es auch schön.“
Sie waren mit dem Essen fertig. Nina und Gunnar sausten im Auto davon. Sie rollten geräuschlos und glatt auf dem Strandweg dahin und nach Lynghei hinauf. Die Märzsonne goß ihr Licht und ihr Geglitzer über sie. Alles hätte so schön sein können, wenn nur – wenn nur ein netterer, vertrauterer Ton zwischen ihnen gewesen wäre.
Nina überlegte krampfhaft, worüber sie sich mit Gunnar unterhalten sollte. Was ihn auftauen würde, wie sie ihn zum Reden bringen könnte.
„Was machen Sie eigentlich in der Fabrik?“ wagte sie schließlich zu fragen.
„Ach, so allerlei. Ich schreibe unter anderem Briefe an holländische und belgische Lieferanten. Wir bekommen Gummi aus den Niederlanden und Knöpfe und Reißverschlüsse und dergleichen aus Belgien.“
„Freuen Sie sich nicht riesig darauf, daß Sie diese Reise machen dürfen?“ sagte Nina. „Denken Sie bloß, gleich bis nach Sumatra!“
„O ja, das kann ganz interessant sein. Geht es jetzt geradeaus weiter, oder biegen wir nach rechts ab?“
„Den nächsten Weg nach rechts. Es war doch nett von Ihrem Onkel, daß er Ihnen den Wagen überlassen hat.“
„Ja, er ist oft viel zu nett.“
„Ein Jammer, daß er selber keine Kinder hat“, sagte Nina.
„Ja, das ist ein großer Jammer.“
„Aber für Sie ist es ein Glück. Hätte Ihr Onkel selber einen Sohn, dann hätten Sie wohl diese Stellung nicht bekommen.“
„Nein, das hätte ich sicher nicht.“ Leere Worte, unpersönliche Bemerkungen! Das Auto fraß die Kilometer. Und Nina wurde das Herz immer schwerer. Konnte gar nichts diesen sonderbaren Jungen erweichen?
Da tauchte das Hotel von Lynghei auf, ein rührendes, kleines, ländliches Hotel im Schweizer Stil mit spitzgiebligem Dach und Veranden. Im ersten Stock lag ein kleines Café für Autoausflügler. Im Sommer war hier meist riesiger Verkehr, erzählte Nina. Aber heute waren sie und Gunnar die einzigen Gäste. Den Kaffee und eigengebackenen Apfelkuchen brachte ihnen die Wirtin selber.
Eine graue Katze kam von der Küche ins Café geschlichen, und Nina lockte sie zu sich heran. Sie kam näher, Nina tat ein wenig Sahne auf ihren kleinen Finger und ließ sie lecken. Die Katze schleckte zufrieden und hüpfte dann auf Ninas Schoß.
Gunnar sah zu, wie Nina das weiche Fell streichelte. „Haben Sie Tiere gern?“ fragte er.
„Ja, mächtig! Und Sie?“
„O ja, ich auch. Am liebsten vielleicht Hunde. Wir hatten zu Hause einen Hund, der… Nein, Musch, nicht mit der Schnauze in meinen Teller. Hier, schau her…“ Gunnar goß etwas Sahne in einen Teller und stellte ihn der Katze hin.
„Haben Sie den Hund nicht mehr?“ fragte Nina.
„Nein, er ist tot.“
„Wie schade!“
„Ja, nach meines Vaters Tode zogen wir nach Trondheim, und es wurde dann zu schwierig mit dem Hund. Vor allem war der Hund nie mehr so ganz in Ordnung. Er trauerte so sehr…“ Gunnar unterbrach sich, nahm einen Schluck Kaffee und kraulte die Katze am Hinterkopf.
Die Tür zur Küche ging wieder auf, und ein kleines Mädchen von sechs oder sieben Jahren kam herein.
„Ist die Musch hier? Wo bist du, Musch?“ Das Kind kam näher. Es streckte die Arme vor sich her, stützte sich an einem Stuhl, änderte die Richtung und stieß mit dem Kopf gegen eine Stuhllehne.
„Au“, sagte die Kleine, rieb sich die Stirn, machte aber sonst kein Wesens davon.
„Du mußt dich vorsehen, Kleines“, sagte Nina lächelnd. Gunnar hatte die Tasse
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