Ninis - Die Wiege der Baeume
wir dem Dämon entgegengetreten sind. Wir haben gewonnen und das Böse vertrieben! Leider kann ich Euch nicht versprechen, morgen nicht vor ähnlichen Bedrohungen zu stehen. Aber ich gelobe meine ganze Kraft für den Orden einzusetzen!” Karlema gab sich voller Stolz und Achtung. Siria konnte nichts sehen! Sie wollte ihren Schatten sehen, sie wollte sehen, wer sie war!
Siria hob ihren Arm: „Bitte gewährt einer alten Frau einen Wunsch.”
Amone wandte sich zu ihr: „Werte Siria, ich freue mich, Eure Stimme zu vernehmen. Das Ritual weckt sogar Eure Lebensgeister. Was können wir für Euch tun?”
„Werte Amone, bitte lasst mich Karlema berühren.”
„Siria, Euer Wunsch ist uns Befehl. Bitte, werte Karlema, das ist unsere ehrwürdige Schattenseherin Siria, deren Gesundheit es leider im Moment nicht gut mit ihr meint. Gewährt ihr eine Berührung.”
„Natürlich, Obere. Werte Siria, ich freue mich, Euch kennenzulernen.”
Die verdammte Lamenis ging langsam auf den Tragestuhl zu und beugte sich zu ihr hinab. Siria hob unter Anstrengung ihren rechten Arm und berührte Karlemas Augenlid.
Noch konnte sie ihren Schatten nicht erkennen! Aber sie war wirklich dem Dämon begegnet. Sie hatte gegen ihn gekämpft und mit all ihrem Wissen versucht, ihn zu töten. Ihre Augen sahen den Sieg in einer schwarzen Explosion, aber ihr Geist war nicht ohne Zweifel, ihn endgültig getötet zu haben. Die Schlacht hatten Lorias und Karlema gewonnen. Aber sie wusste nicht, wer den Krieg gewinnen würde. Karlema war eine Betrügerin! Siria mochte sie nun, obwohl sie nur eine Lamenis war.
„Ja! Sie ist eine wahre Schattenseherin. Karlema, ich verbeuge mich vor Euch!”
Ein Raunen ging durch die Reihen der Anwesenden. Siria schmunzelte, denn die meisten Anwesenden hatten wohl etwas anderes von ihr erwartet. Die Seherinnen verbeugten sich respektvoll vor Siria; obwohl sie, bei all ihrer Macht, ihrem Ende nahe war, standen ihr alle unvermindert ehrfürchtig gegenüber. Aber das war ihr nicht mehr so wichtig. Sirias Kraft war nahezu erloschen. Weder Amone noch Lorias verstanden, wen sie sich ins Nest geholt hatten. Aber die Prophezeiung war gebrochen! Das war jetzt ein guter Zeitpunkt zu sterben.
In den nächsten Tagen fand Siria wenig Ruhe. Sie blieb in ihrer Kammer, bekam aber mehrfach am Tag Besuche von Ordensschwestern oder bedeutenden Renelaten. Es sprach sich zu ihrem Leidwesen schnell in Saladan herum, dass sie nicht mehr viele Tage vor sich hatte. Dabei wollte sie nur ihre Ruhe haben.
Dalor Hessilin stahl ihr diesen Nachmittag. „Erhabene Siria, seid versichert, dass ich Euch immer geschätzt habe. Es wird ein großer Verlust für den Orden sein, wenn Ihr den ewigen Frieden finden werdet.” Er hatte sich in den frühen Kriegen des Ordens einen Namen gemacht und trauerte vermutlich immer noch dem toten Bruder des Königs nach.
„Gehe in Frieden, mein Freund.” Er war früher schon dumm gewesen und war über die Zeit nicht klüger geworden.
„Werter Dalor, die ehrwürdige Schattenseherin dankt für Euren Besuch.” Feriosi schob den alten Offizier respektvoll zur Tür hinaus.
„Werte Siria, was sollte das? Der hat sich doch früher nie um Euch gekümmert.”
„Mein Kind, ich bin schon sehr alt. Viele Freunde sind mir auf meinem Weg begegnet, und auch wenn sich die Wege trennten, blieb ich mit einigen auf ewig verbunden. Der Dalor hat sich früher für den Orden verdient gemacht.” Aber auch in der Zeit, als er noch Haare hatte, war er ein blutrünstiger Schlächter gewesen, der für Hasis die Drecksarbeit machte. Siria glaubte sich zu erinnern, das sie auch mal was mit ihm gehabt hatte. Oder war das sein Bruder?
„Ach, werte Siria, Ihr seid doch noch nicht einmal siebenhundert Winter alt. Ich leide, Euch jeden Tag schwächer zu erleben!”
Siria labte sich an ihren Schmeicheleien. Der kleine Quälgeist tat ihr heute gut. „Feriosi, es gibt keinen Grund, sich vor dem Tod zu fürchten. Ich werde zufrieden einschlafen und meine Ruhe finden.” Es lohnte nicht mehr zu kämpfen, ihre Zeit war vorbei.
„Ja, Ihr habt Recht. Ihr habt immer Recht. Werte Siria, erinnert Ihr Euch noch an Dalor Kalson, einen der wenigen Überlebenden, die mit Manoos aus dem Jabarital heimkehrten?”
„Ja, aber ich mochte ihn nicht. Er hatte den Dämon berührt.”
„Heute findet sein Prozess statt. Serpent klagt ihn an, dass er ohne Grund die Unterstadt von Deasu zerstört hat, und dabei viele hundert Krieger der Renelaten
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