Ninis - Die Wiege der Baeume
Abend.
„Etwa so?” Yirmesa strich unsicher mit den Händen über ihre Seiten. Sie genoss das Gefühl des feinen Stoffes.
„Perfekt, wahrlich eine Königin! Ihr seid wunderschön!”
Die Schneiderin und die Zofe schritten zurück, sie hatten für Yirmesa ein weißes, schulterfreies Seidenkleid angefertigt, das ihre Taille betonte und bis zum Boden reichte. Die Zofe hatte in den Zopf weiße Bänder eingeflochten. Yirmesa hätte sich in diesem Moment gerne gesehen.
„Meine Damen, eine Kleinigkeit fehlt noch!” Manoos gesellte sich zu ihnen. „Aber das Problem kann ich lösen.” Seine Stimme beruhigte, damals wie heute.
„Oh, Prinz Manoos, ich habe Euch gar nicht bemerkt! Muss ich noch eine Naht …” Die Schneiderin verstummte mitten im Satz. „Das ist doch …” Was hatte sie nur?
Yirmesa bemerkte, dass er sich hinter sie stellte, der Geruch seiner Haare verriet ihn. Sie spürte seine Hände auf der Schulter, er legte etwas Schweres auf ihre Haut, es klickte leise. „Was ist das?”
„Amun'ral, darf ich bitten! Das Fest hat begonnen!”
Yirmesa nickte, er nahm sie bei der Hand und führte sie mehrere lange Treppen hoch. Spannung und Neugierde wuchsen in ihr. Die Reaktionen der Wachen, Passanten, allen, denen sie begegneten, zeigten deutliches Erstaunen. Oft hörte sie ihren Namen und zahlreiche respektvolle Bekundungen. Sie ertastete eine Kette an ihrem Hals, in der drei daumengroße Steine, die zahlreiche Facetten aufwiesen, gefasst waren. Was war das für ein Schmuckstück? Steine mit kleinen Flächen und Kanten? Sie waren bestimmt wunderschön, sie fühlten sich jedenfalls gut an.
Eine kalte Brise ließ sie erschauern, sie spürte Kälte und Wärme gleichermaßen. Der Boden unter ihr gab bei jedem Schritt nach. Sie kannte das Geräusch, sie lief durch Schnee.
„Werter König, werte Herrschaften: Prinz Manoos und Amun'ral, die weiße Königin von Moresene!”, hörte sie einen Herold in die Menge rufen. Beifall, Staunen und Tuscheln, sie spürte, wie sie jeder anstarrte. Was war nur mit denen? Sie war doch bestimmt nicht die Einzige, die ein Kleid und Schmuck trug.
„Setzt euch zu mir und lasst das Schauspiel beginnen!” Das klang nach Hasis' Stimme. Sie schritten über eine glatte Eisfläche und nahmen auf großen Kissen Platz. Musik erklang, eine zarte Frauenstimme sang ein Lied über die Steine des Ordens.
„Manoos, bitte, ich kann mir viel vorstellen, aber nun erzähl mir schon, wo wir sind. Ich fühl' mich, als ob ich nackt in einem Hügel voller Erdkäfer sitze!”, flüsterte sie ihm zu.
„Ganz ruhig, sie staunen nur über deine Schönheit und meine Freude, dich begleiten zu dürfen!”
Mistkerl! Ein bisschen weißer Stoff und drei Edelsteine reichten dazu wohl kaum aus. Vermutlich schenkte er jeder seiner Konkubinen eine Kette. „Wo sind wir?”
„Hoch auf dem Eis über Saladan, nur der Nachthimmel ist noch über uns”, erklärte er ihr. „Soll ich dir etwas über unsere Geschichte erzählen?”
„Ja, sehr gerne!”
„Als vor mehr als zweitausend Wintern der Stamm unserer Ahnen über das Eis zog und Nahrung suchte, fanden sie hier einen besonderen Stein. Er war nicht größer als der Kopf eines Kindes, und warm … er lag einfach im Eis und trotzte der Kälte. Hungrig und neugierig blieben meine Ahnen dort und gruben im Schutz des Steines ihre Hütten in das Eis. Seine Wärme rettete sie vor dem Kältetod. Es ist überliefert, dass der Stein die Macht der Elemente beherbergt. Aber der Stein war nur der Anfang, wir fanden zu Eterius, der Hüterin der Flammen. Ihr Geist begleitet den Orden bis heute. Wir bauten ihr zu Ehren eine Stadt aus Stein und Eis, wir trotzten der Natur und unseren Schwächen. Unser Wille machte uns zu Renelaten.”
„Wärmt uns der Stein auch in diesem Moment?”
„Zumindest zwei kleinere Stücke von ihm. Meine Ahnen sind aus der Gefangenschaft der Mal'Jaral in diese Eiswüste geflohen. Sie hofften, hier nie gefunden zu werden. Aber Saladan wuchs! Hundert Winter später war die Stadt im Eis kein Geheimnis mehr!”
„Die Mal'Jaral, wer war das?”
„Ein alter Blutkult, der seine Feinde den Göttern opferte. Sie kamen aus dem Wasser und eroberten die ersten Städte auf Ninis. Du kennst die Kinder dieses Volkes, es sind die Hulunen!”
„Bitte, die Hulunen? Das kann ich kaum glauben!”
„Sie herrschten früher über die Meere und die Städte an den Küsten. Sie griffen Saladan an und nur mit der Hilfe von Eterius verbrannten meine
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