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Ninotschka, die Herrin der Taiga

Ninotschka, die Herrin der Taiga

Titel: Ninotschka, die Herrin der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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von Petersburg bis zur chinesischen Grenze. Sie schlafen ein paar Stunden, und dann fliegen sie wieder dahin, so schnell wie der Steppenwind.«
    »Es sind Rassepferde!« Der Postmeister schnalzte anerkennend mit der Zunge. »Aber in Sibirien werden sie eingehen wie Rosen im Frost. Ihnen fehlt das dicke Fell. Sie fressen nur gute Sachen und nicht das Stroh von den Dächern oder das Moos, das sie aus dem Schnee hervorkratzen müssen. Sie saufen nur reines Wasser und lecken nicht das Eis von den Wänden. Brüderchen, sag mir, wie wollt ihr weiterkommen mit diesen Pferdchen?«
    Miron brummte etwas in seinen Bart, legte sich auf den Boden und dachte, bevor er einschlief: Er hat recht. Was wir brauchen, sind kleine, zähe Gäule. Aber woher sollen wir sie nehmen? Denn wo wir auch hinkommen – die Deportierten waren vor uns da und haben uns die ausgeruhten Pferdchen weggenommen. Ninotschka Pawlowna, es wird eine Höllenfahrt werden …
    Am Abend ging es dann weiter. »Das ist unsere Chance«, sagte Ninotschka, die die Frauen weckte. »Während unsere Männer schlafen, fahren wir. Sie haben nur einen kleinen Vorsprung. Vielleicht sieben Stunden. Schwestern, die holen wir auf. Was sind sieben Stunden bei fünftausend Werst?«
    Aber es waren Stunden, angefüllt mit Schneesturm, umgestürzten Schlitten und der Sorge um drei Frauen, die Fieber bekamen. Sechs Schlitten blieben zurück und mußten repariert werden. Die Frauen stiegen um in die anderen Schlitten. Man rückte noch mehr zusammen und nahm die Pferde mit. Weiter, nur weiter, Schwestern! Wir müssen unsere Männer einholen.
    Am sechsten Tag, gegen Abend, wurden die Spuren, denen sie folgten, deutlicher. Es war ein klarer, kalter Tag, an dem kein Schnee fiel. Dafür wehte ein eisiger Wind. Die Frauen hatten sich in ihre Felle und Decken verkrochen, als plötzlich die Fürstin Wolkonsky aufschrie: »Da sind sie!«
    Sie stand im Schlitten und warf jubelnd die Arme hoch. Ganz in der Ferne war eine dünne schwarze Linie auf dem ebenen Schneefeld zu sehen: die Kolonne der Verbannten!
    Die Schlitten der Frauen hielten und bildeten einen Kreis. Aus den geblähten Nüstern der Pferde quoll der heiße Atem und verwandelte sich in der klirrenden Kälte sofort zu unzähligen kleinen Eiskristallen. Die Kutscher holten ihre kleinen flachen Schnapsflaschen aus den Mänteln. »Hochwohlgeboren, ein Schlückchen nur. Ist's erlaubt? Wer stundenlang auf dem Kutschbock sitzt, braucht ein bißchen innere Wärme.«
    »Wir bleiben auf den Spuren unserer Männer«, sagte die Fürstin Trubetzkoi, »ohne uns vorläufig sehen zu lassen. Mit den Kosaken kommen wir noch früh genug zusammen. Aber heute nacht werden wir in der gleichen Poststation haltmachen wie sie. Eine Poststation ist für jeden da. Man kann uns von dort nicht vertreiben.«
    Langsam fuhren sie dann weiter, immer den Spuren der Pferdehufe und Schlittenkufen nach, die nur eine Richtung kannten: nach Osten. In die unendliche Weite der Taiga, in das Vergessen …
    Die Poststation Nowa Scharja lag zwanzig Werst von Wjatka entfernt, der Stadt, wo die großen Straßen enden. Von da an fuhr man nur noch auf markierten Pfaden durch das Land – bis Perm, der letzten großen Stadt im europäischen Rußland. Dahinter erhob sich wie eine gewaltige Mauer der Ural, den nur ein paar Pässe durchschnitten. Und dann lag Sibirien vor ihnen, die riesigen Wälder, die breiten Ströme, die Sümpfe in den Niederungen.
    Die Schlittenkolonne der Frauen erreichte Nowa Scharja kurz vor Mitternacht. An den Dachbalken der Poststation mit den großen Ställen schaukelten die Laternen im Wind. Die Kosaken kampierten draußen. Große Lagerfeuer loderten, und die wilden Reiter saßen um die prasselnden Flammen und tranken und lachten. Ein paar Wachen umkreisten auf ihren Pferdchen die Poststation und kontrollierten jeden, der sich näherte. Darum galoppierten auch sofort sechs Reiter auf die Schlitten der Frauen zu. »Stoj!« brüllte einer von ihnen mit gewaltiger Stimme. »Sofort anhalten! Das hier ist Sperrgebiet.«
    Miron Fedorowitsch, der mit Ninotschkas Schlitten jetzt an der Spitze fuhr, kümmerte sich nicht um den Befehl. Er schwang die lange Peitsche, ließ sie über die Köpfe seiner Pferde knallen und schrie: »Wollt ihr wohl laufen, ihr lahmen Eselchen!«
    Die Kosakenpatrouille starrte den in unvermindertem Tempo heranrasenden Schlitten entgegen. Ihr Anführer zog seinen gebogenen Säbel und fuchtelte damit herum.
    »Stoj!« brüllte er wieder. »Im

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