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Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Titel: Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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würde nicht auf dessen Zurechtweisungen reagieren, indem er zerknirscht und mit erneuertem Eifer auf den angemahnten Weg zurückkehrte. Das wäre einem Eingeständnis der Reue oder überhaupt eines Unrechts in seinem Handeln gleichgekommen.  
    Der Enthravan hatte ohne ethische Befugnis eine Grenze überschritten, und das erboste Darachel. Cenn-Vekanen wusste nichts über ihn. Und er wusste nichts über die Welt. Zwar schickten sie sich an, diese Welt zu verlassen, doch machte das Ignoranz ihr gegenüber noch lange nicht zu einer Tugend.
    Daher hatte sich Darachel das heutige Ereignis zum Anlass genommen, den Tag in den luftigen auf die Ebene hinausblickenden Räumen des Menschenmanns zu verbringen. Er hatte sich aus den Archivhallen mit verschiedenen seltenen und apokryphen Versionen aus dem Zyklus des „Rings der Neun“ versorgt. Er wollte den Dschungel der Textvarianten nach Hinweisen abzusuchen, die ihm bei seiner Arbeit über die Späten Feuerkriege nützlich sein konnten.  
    Er hatte sich an dem Schreib- und Lesepult eingerichtet, das er sich hierher hatte schaffen lassen, die Bücher auf der Schreibfläche bereitgelegt oder in den Fächern verstaut und noch einmal seinen Blick zu dem Kranken wandern lassen.
    Noch immer lag der Menschenmann bleich da, gerade und auf dem Rücken, so wie er ihn mit Siganche gebettet hatte. Er zeigte keine Neigung sich im Schlaf zu bewegen, lag unverändert starr da, wie aufgebahrt. Nur sein Bart wuchs. Er und Siganche hatten darüber diskutiert, ob es ratsam sei, ihn zu rasieren, sich aber dann dagegen entschieden, da die Ninraé keinen Bartwuchs hatten und sie daher nicht wissen konnten, welche Bedeutung er ihm beimaß.
    Ein wenig vor dem Fuß des Bettes stand ein kleines Regal im Raum, in dem sich Tiegel und Phiolen mit den Substanzen befanden, die Siganche für die physischen Aspekte ihrer Behandlung benötigte. Es war Teil einer Anordnung weiterer Utensilien, die sich im Halbkreis um das Fußende des Bettes herumzogen, eines Gartens aus Becken und Gefäßen auf schlanken, hüfthohen Gestellen, Schalen zum Abbrennen von aromatischen, aufsteigendes vianwhe-h‘we -bindenden Kräutern und Spezereien. Des Weiteren hingen über dem Fußende zwei Ampeln, aus denen ein Hauch langsam sich zersetzenden Ku‘unwhe -Substrats durch den Luftzug vom offenen Fenster her ständig in Richtung des Kranken geweht wurde.
    Als Darachel sich gerade durch eine interessante Folge von Zwischengesängen gearbeitet und einige Anmerkungen dazu niedergeschrieben hatte, hatte er plötzlich das Murmeln vom Bett des Menschenmannes her bemerkt, das ihn aufhorchen ließ. Es war das erste Mal, dass man überhaupt die Stimme des Menschenmanns hörte. Bisher war er in seinem Schlaf tiefer Bewusstlosigkeit stumm geblieben. Stumm und reglos.
    Die Laute, die der Menschenmann von sich gab, gingen eine Weile fort, ohne dass für Darachel daraus Worte erkennbar geworden wären oder dass er sie einer Sprache hätte zuordnen können. Tatsächlich, es schien, als durchlebte er noch einmal eine Erinnerung.
    Dann brachen die Laute ab, und es lag wieder Stille über dem Raum. Kleine fahrige, unwillkürliche Bewegungen gingen über die Miene des Menschen, wie eine Dünung unter unstetem Wind, aber seine Lippen gaben keinen Laut mehr von sich. Darachel bemerkte, dass seine linke Hand auf dem Laken leicht in einem unregelmäßigen Rhythmus seitwärts zuckte. Also war er auch aus seiner Reglosigkeit zum ersten Mal erwacht. Das war nun tatsächlich bemerkenswert.
    Darachel verließ sein Pult und trat zum Bett des Menschenmannes hin. Er blieb in Höhe seines Kopfes stehen und sah auf ihn hinab. Das unbewusste Mienenspiel war zur Ruhe gekommen, doch der Kopf bewegte sich leicht im Rhythmus des Atems mit.
    Neugierig geworden kniete Darachel sich zu ihm hin, und gerade in diesem Moment öffnete der Menschenmann die Augen, so gleichzeitig mit Darachels Abwärtsbewegung, dass ihm der eigentliche Moment der Veränderung entging. In dem einen Moment waren die Augen geschlossen. Dann kniete er neben ihm, und die Augen sahen ihn an, das eine weit und offen, das andere noch immer leicht zugeschwollen.
    Der Blick war verwirrt und verschleiert.
    Aber er richtete sich gerade auf Darachel.
    Fast unmerklich hob der Menschenmann den Kopf, und ein Krächzen kam von seinen Lippen. Er ließ den Kopf wieder in einem sichtbaren Ermatten des ganzen Körpers sinken, ein gequälter Zug lag in seinem Gesicht, befeuchtete sich die Lippen, räusperte

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