Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)
sich.
„Wo bin ich?“
Die Worte waren in Idirisch, klar und deutlich und ohne Akzent.
„In Himmelsriff“, antwortete Darachel ihm mit der idirischen Übersetzung des Namens.
Ein Ausdruck des Erkennens, ja der Erleichterung schien über sein Gesicht zu gehen. Und das war verwunderlich. Was sollte ein Menschenmann, ein Soldat der idirischen Armee noch dazu, von diesem Ort wissen? Vielleicht war er noch halb in seinen Fieberträumen und hörte nur das, was er sich sehnlichst wünschte, den Namen eines Ortes, an dem er sich sicher und geborgen fühlte, wo immer das war.
„Und wer sind Sie?“
Die Frage kam erneut klar und gar nicht wie im Delirium.
„Ich bin Darachel, ein Ninra und Bewohner von Himmelsriff.“
Er wusste nicht, ob seine Worte für den Menschenmann irgendeinen Sinn machten oder er sie überhaupt verstand, denn in diesem Moment entglitt seinem Blick der Fokus, die Augenlider flackerten, senkten sich schließlich, und der Kopf kippte zur Seite weg.
Die Atemzüge kamen langsam und regelmäßig. Wahrscheinlich war er wieder in den Schlaf gefallen. Darachel musterte seine Züge.
„Dein Gesicht ist das eines Mannes aus dem Nordwesten. Aber das ist nur dein Gesicht.“ Darachel sprach es leise und wie in Gedanken zu sich selber. „Du sprichst Idirisch und hast eine idirische Uniform getragen. Ich weiß nicht deinen Namen. Ich weiß nicht, wer du bist. Aber ich würde es zu gerne herausfinden.“
Die Lippen des Menschenmannes bewegten sich wieder, aber die Augen blieben geschlossen.
„Ich bin Auric, Auric Torarea Morante. Auric der Schwarze.“
Dann war da wieder nur undurchdringliche Dunkelheit um ihn, durch die Auric sank, halb schwebte. Eine Dunkelheit, die verschwamm und flirrte und schließlich ins Wallen und Wimmeln geriet. Und indem Bewegung in sie kam, schälten sich Formen heraus, Gestalten. Eine dicht gedrängte Masse von Menschen in Rüstungen und mit Waffen versehen, die sie wild und kriegerisch schwenkten, dass das Aufblitzen auf den Klingen inmitten der dunklen Menschenwogen erschien, als seien an einem taumelnden Himmel die Sterne ins Wanken geraten. Eine Armee. Sie stand in dicht gestaffelten Reihen aufgestellt, die sich weit in die Tiefe der Ebene hineinzogen, ohne dass ein Ende erkennbar war.
Aus den Reihen der Feinde stieg jetzt ein gewaltiges Brüllen und Heulen auf. Schwere Gestalten, den Rest der Heerschar weit überragend, stapften mit ungeduldigem Röhren von hinten durch die Reihen, bahnten sich ihren Weg und schwangen dabei dornenbewehrte Streitkolben und überbreite, ungefüge Schwerter. Die Erde bebte unter ihrem Tritt. Feuerbälle zogen über die Feindesreihen mit schrillem Pfeifen ihre Bahnen durch den Himmel und krachten in ihren Reihen nieder, ließen explosionsartig Feuerbrände in turmhohen Wällen emporflammen. Menschenkörper wurden von ihrem Glutball wie bloße Halme beiseite gefegt. Soldaten kreischten, während ihr Fleisch wie Fackeln brannte.
Eine Gestalt in dunkler Rüstung drehte ihren Kopf, wie es nur bei einer Puppe, die an ihrem Hals ein Kugelscharnier besaß, möglich gewesen wäre, und blickte ihn geradewegs an. Das Gesicht unter dem Helm war bleich wie Knochen. Ein Schlag durchfuhr ihn unter dem Blick, traf ihn körperlich, als sei ihm die Druckwelle einer reifkalten Flammenwalze geradewegs in die Brust geschossen. Er sah sich umhergeworfen wie eine Puppe im Orkan.
Dann verschwamm das Bild, und er sank wieder durch Wehen grauen Vergessens. Seine Schwaden fielen um ihn wie die Strahlenschleier von Nordlichtern, die statt zu strahlen jede Helligkeit verschlangen, als wollten sie ein für alle Mal jeden Lichtschimmer aus der Welt tilgen.
Aber er erinnerte sich jetzt, dass, bevor er erneut hinabgesunken war, da ein bleiches, schlankes Gesicht gewesen war. Es hatte sich, als er aus den dunstigen Tiefen des Vergessens langsam nach oben schwebte und dann kurz ganz hochtauchte wie ein Korken auf der Dünung, aus den verschwimmenden Schleiern geschält, und dunkle Augen hatten ihn daraus angeschaut. Nicht dunkel von der Iris her, nein dunkel durch und durch, wie glitzernde Seen von Pech. Eine Stimme hatte zu ihm gesprochen, ihr Ton war freundlich, wohlwollend und ganz und gar fremd gewesen. „In Himmelsriff“, hatte sie gesagt.
Er kannte bleiche Menschen. Seine Kameraden nannten sie Elfen, doch das war nicht ihr wirklicher Name. Er war ihnen begegnet, und er hatte sie erschlagen.
Eine Feste ragte dunkel auf, über hoch sich staffelnden
Weitere Kostenlose Bücher