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Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Titel: Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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Baumkronen. Ihr Stein war glatt, ihre Wälle waren blank und plan, ohne Simse, ohne Vorsprünge oder Verzierungen. Sie verjüngten sich nach oben, wie der gekappte unterste Strunk einer gigantischen überspitzen Pyramide, die einmal steil und gänzlich bis zu den Himmeln emporgeragt hatte. Die Festung war ihr Feind und sie sang zu ihnen mit einer Stimme, die nachts den Wahnsinn in ihre Träume schickte.
    Sie liefen durch einen immensen, endlos erscheinenden Wald unterhalb der Feste, und wieder sausten Feuerbälle – diesmal halb verdeckt vom Laubwerk der Baumkronen – über den Himmel.
    Er war inmitten eines Trupps von Soldaten, die durch diesen Wald liefen, während rings um sie die Feuerbälle niederkrachten, Stämme wegfegten und Blattwerk in lodernde Feuerbrunst verwandelten. Er war einer von ihnen, er war zugeknallt bis zum Scheitel mit Rott, und er war hier, um mit seinem Schwert Elfen in die Hölle zu schicken.
    Er sah ein großes, schlankes Wesen, das sich wand wie ein Ried im Sturmwind, ein Wesen mit einer Haut falb und glänzend, als wäre sie bestrichen mit dem Öl einer Kröte, mit grotesk langen Armen, spinnenbeingleichen gespreizten Fingern, zwischen denen das blau lodernde Feuer einer sterbenden Welt herausblitzte. Sein Maul starrte vor dolchgleichen Zähnen in konzentrischen Kreisen bis tief in den Schlund hinein, gerahmt von einem knotig blassen Lippenring, der pumpte wie ein Schließmuskel und dabei den Stachelmahlstrom der Zähne hochschnappend aufblitzen ließ.
    Er sah eine Stadt – weißglitzernd zwischen Hügeln, von einem Fluss durchzogen – vor der Böschung ferner Höhenzüge, eine gezackte steinerne Krone in ihre Mitte gerammt, deren Spitzen zu den Göttern riefen oder Befehle in die Weite schickten, eine halbe Welt in Zaum und Bann haltend.
    Ein Schwefelschein kroch über den Grat ferner Berge herauf, und eine Dunkelheit rollte wie eine Flut über die Ebene, die ihn rasch einholte und seinen Blick verhüllte. Die ihn zurückholte in den Pulsschlag ihres mächtigen Tidengangs, dessen Rhythmus ein älterer Mond vorgab. Dieser Mond atmete wie eine offene Wunde in fernsten Himmeln kurz vor dem Rande des Wirklichen Abgrunds, weit hinter der Bahn der bleichen Knochen der Schuld, die den Nächten der Menschen ihr Licht gaben. Er konnte jetzt dieses bleiche Licht über sich sehen, voll und rund und ungemindert, denn eine Gegenströmung hatte ihn erfasst, ihn mit sich gezogen und unverhofft nach oben steigen lassen, wo durch das sachte Schwanken der Unterseite einer nahen Dünung sein Schimmer fiel, gebrochen zu milchig splittrigen Mondschabseln.
    Sein Arm – er sah ihn nicht, er fühlte ihn nur, und das war nach der langen Zeit des Nichtfühlens etwas Gutes –, er langte automatisch hoch und griff aus. Sein zweiter schloss sich dem Rhythmus an, der ihn schließlich nach oben trieb, wo er jetzt unter sich die ganze enorme Weite und Macht der ozeanschweren Dunkelheit spürte, die ihn endlich hielt und trug. So stieg er nach oben und spürte die gebrochenen Facetten des Mondlichts ihn umspülen wie ein Pfuhl bleich treibender Entengrütze.  
    Ein weiterer Zug noch, weiter empor. Fast da, fast oben.

    Er schlug die Augen auf, und Licht strömte auf ihn ein wie gemächlich auslaufende Wellen an einem sanft ansteigenden Sandstrand.
    Wo war er? Dunkel konnte er sich erinnern, das schon einmal gefragt zu haben. „In Himmelsriff.“ Diese Antwort jedoch hallte noch immer deutlich in ihm nach.
    Eine Umgebung schälte sich langsam aus dem Nebel des Aufdämmerns. Er erkannte Begrenzungen, Wände, die das weich flutende Licht einfassten. Der Raum war weit, die Decken waren hoch. Er sah senkrecht fallende Linien. Er sah Klarheit, durch die hindurch elegante Arabesken aufebbten. Er sah hohe schlanke Fenster und dahinter wiederum Weite, noch mehr davon, Weite in verschwenderischem Maß.
    Er lag nicht in der Wildnis irgendwo, er lag nicht zusammengebrochen auf hartem Boden, zwischen Dornen und Gestrüpp und Erbrochenem, im eigenen Blut. Er lag in einem Bett, und das war erstaunlich. Davor ragte eine Anordnung von Gegenständen auf. Sie wirkten wie ein Hain von Anlegepfählen. Sie machten sein Lager zu einer Lagune in der offenen Weite des gesamten Raums. Im Augenwinkel sah er links davon etwas Unbestimmtes aufragen. Wie ein Widerklang, den Lagunenpfählen eine steile Klippe und größerer Bruder.  
    Er versuchte den Kopf zu drehen, um das Objekt näher ins Auge zu fassen, und war er erstaunt über die

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