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Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Titel: Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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enorme Anstrengung, die ihm das abverlangte. Der Raum verschwamm erneut vor seinen Augen.  
    Zeit verging, sein Blick klärte sich allmählich, die Klippe im Raum gewann Form. Eine aufrecht stehende Gestalt. An etwas, das aussah wie ein großes Katheder.
    War er an einer Schule? War das die Gestalt eines Gelehrten, eines Lehrenden?
    Die Gestalt am Katheder wurde auf ihn aufmerksam. Sie blickte ihn an, und er erkannte das Gesicht.
    Rasch kam sie auf ihn zu, kniete sich neben ihm nieder, so schnell und fließend, dass die Bewegung für ihn erneut verschwamm. Das Gesicht, das zu ihm herabsah, war das gleiche, das aus dem Dunkel seiner Bewusstlosigkeit aufgetaucht war und mit ihm gesprochen hatte. Das bleiche Gesicht, das mit den Augen wie Seen von Pech.
    Ein Elf. So hätten ihn seine Kameraden genannt. Wenn sie es wohlwollend ausgedrückt hätten. Wahrscheinlich hätten die meisten ihn aber einfach nur „Spitzohr“ genannt. Oder „dreckiges Spitzohr“. Auch er hatte das häufig getan.
    „Wie geht es Ihnen, Auric Torarea Morante?“ Ein Nichtmensch, der ihn auf Idirisch ansprach.
    Er wollte es mit einem grimmigen Lächeln versuchen, musste aber feststellen, dass diese Mimik vorläufig aus seinem Repertoire gestrichen war; er war einfach zu schwach dazu.
    „Ging … schon besser.“
    Auf den Lippen des Nichtmenschen erschien das Lächeln, das er selber nicht zustande gebracht hatte. „Aber auch schon schlechter. Das kann ich bezeugen. Ich war einer von denen, die Sie gefunden und hierher gebracht haben. Jetzt sind Sie zumindest bei Bewusstsein und können sprechen, statt den Krähen eine nahrhafte Mahlzeit in Aussicht zu stellen.“
    Der Elf redete weiter, aber Auric bekam es nicht mehr mit. Er hörte nur noch eine Lautmelodie, die aber keinen Sinn mehr machen wollte. Der Raum sank wieder weg.

    Als er das nächste Mal aufwachte, saß der Nichtmensch mit dem schlanken bleichen Gesicht wieder neben seinem Bett und fragte ihn, ob er etwas essen wolle. Auric brachte ein mattes Nicken zustande.  
    Man brachte ihm eine Brühe, anscheinend aus Gemüse und Kräutern, mit einem eigentümlichen, durchdringenden Geschmack. Der war jedoch nicht unangenehm sondern wohltuend anregend und rief das Bild von roten, prallen Beeren des Sommers wach. Der Sud ging wie eine warme Welle durch seinen Körper. Das ließ die Kräfte in ihm zumindest schon wieder so weit ansteigen, dass er hilflose Wut über seine Hinfälligkeit empfinden konnte. Man musste ihm sogar helfen, den Kopf zu heben, um Nahrung aufzunehmen, verdammt. Nicht einmal dazu war er imstande. Den Löffel musste man ihm zum Mund führen wie einem hilflosen Greis.
    Beim nächsten Mal als er zu sich kam, stand ihm zum ersten Mal so viel Kraft und Klarheit zur Verfügung, dass er die, die ihn pflegten, eingehender mustern konnte. Zuallererst den bleichen Mann, der zunächst zu ihm gesprochen hatte.
    Bleich, erkannte er bei genauerem Blick rasch, bleich war eigentlich der falsche Ausdruck. Hell war seine Haut zwar, aber eher schien sie zu leuchten, als dass sie gebleicht wirkte. Sie war keineswegs von dem befremdenden Weiß, das er von denen kannte, gegen die er gekämpft und die er erschlagen hatte, ein Weiß, als seien die Knochen zuoberst gekehrt und als seien aus ihnen die Züge modelliert worden. Die Haut seines Pflegers erinnerte ihn an das Geschirr der idirischen Oberschicht, das man Porzellan nannte.
    Dieser hier gehörte zu den Ninre. Sein Name war Darachel. So hatte er sich vorgestellt, und den Namen seines Volkes hatte er ausgesprochen wie Ninra-e: Sie sind hier bei den Ninra-e von Himmelsriff. Ninra-e, wie es in den älteren Sagas hieß. Es war also kein Kopistenfehler gewesen.
    Nicht nur die Haut war anders als bei der anderen Nichtmenschenrasse, auch die Gesichtsphysiognomie war unterschiedlich. Ihr Schädel war nicht wie bei den anderen raubtierhaft nach vorn gezogen; auch fehlte der leicht raubkatzenhafte Schnitt der Wangenknochen und der Nase.  
    Obwohl die Wangenknochen stark ausgeprägt waren. Alles an ihnen war ausgeprägt. Alles an ihnen war durchgestalteter als er das je bei einem Menschen gesehen hatte. Ihre Züge wirkten nicht hart, nur eben in der Prägnanz der Details so herausgearbeitet, dass es schon einen Zug ins Unwirkliche hatte.
    Darachels Gesicht hatte sich ihm bei seinem kurzen Auftauchen aus dem Delirium schon als sehr schlank eingeprägt. Mit einer dominanten, leicht adlerhaft geschnittenen Nase. Er trug langes, glänzend schwarzes Haar.

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