Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)
Feindes nicht länger umklammert – seine Arme sind an die Arme des Feindes genagelt. Scharfe, zackig gebogene Klingen sind blitzartig aus dem Arm der roten Kreatur geschossen und haben seine Arme durchbohrt, aufgeschlitzt, von den Unterarmen bis hoch zu den Schultern. Wie eine makaber skurrile, blutige Last hängt er festgenagelt auf dem Ankchorai. Aufgespießt und verheddert wie ein Junge zwischen Rebstöcken. Ein helles Blitzen in der Luft. Jag hackt auf den Hals des roten Dämonen ein. Der ist durch seine Last behindert, kann nicht parieren.
Woher kamen die Klingen, die Kudais Arme aufgeschlitzt haben? Konnten die tatsächlich aus den Armen der Ankchorai herausgeschnellt sein? Ein erneuter verwischter Eindruck des brüllenden Gefährten. Das lässt ihn sein Schwert schwingen und auf die Bresche einschlagen, die Jags Klinge gewiesen hat. Er spürt das Brechen von Panzerplatten. Kudai brüllt jetzt noch lauter auf, reißt seinen Arm frei. Blut trieft durch zerfetzte Panzerung – schwarze Panzerfetzen, rote Fleischfetzen. Jag ist da, hackt sein Schwert erneut in den Hals der Ankchorai. Kudai kommt vom Rücken der Ankchorai frei, fällt schreiend, mit schlaff herabbaumelnden, blutenden Armen zu Boden. Umanákhu prescht vor, reißt das Bein hoch und tritt die Ankchorai vor die Brust, bringt sie zu Fall, steht über ihr und treibt sein Schwert in den Hals der roten, am Boden liegenden Gestalt. Schwarze Umrisse um ihn herum. Schwerter blitzen. Blut und schwankende Schatten.
Alles verschwimmt vor seinen Augen. Die Welt wird roter dröhnender, röhrender Schmerz. Dann ein dumpfer saugender Abgrund. Dann nichts mehr.
„Ich habe mich im Nachhinein erinnert: Ich hatte das Wort, das Ikun für diese Kampfmaschine benutzte, Ankchorai, tatsächlich schon einmal gehört. Es wird bei Epokrav dem Älteren erwähnt. Die Ankchoraik. Sie sind, wenn ich mich richtig erinnere, in den Späten Feuerkriegen so etwas wie eine Elitegarde der Kinphauren. Ein Orden von verschworenen, gefürchteten Kriegern mit übernatürlichen Kräften. Aber, soweit ich den Text im Kopf habe, wird es an keiner Stelle genauer erklärt, was es wirklich mit ihnen und ihren Kräften auf sich hat. Wissen Sie mehr darüber, Darachel?“
„Die Ankchoraik? In der Sprache der Kinphauren heißt das ‚Die Gewappneten‘. Es sind Angehörige ihres Volkes, deren Körper durch die Künste der Kinphauren verändert wurden, stärker für den Kampf gewappnet. Ihr Fleisch, ihre Haut wurde von speziellen Bädern und Tinkturen durchdrungen, wodurch sie gegen Verletzungen unempfindlicher wurden. Ihre Körper wurden umgestaltet, um sie zu tödlichen Kampfmaschienen zu machen. Sie fühlten sich als Auserwählte, aber sie sind durch Opfer und Schmerzen gegangen, um zu dem zu werden, was sie sind. Sie waren eine Sekte von Märtyrern, die von ihrem eigenen Volk verehrt und gefürchtet wurden.“
„Das gleicht dem, was Ikun uns bruchstückhaft erklärte.“, sagte Auric zu Darachel. „Später. Und er sagte auch, die Kinphauren-Agenten hätten drei dieser Ankchoraik-Krieger aus ihrer Heimat jenseits des Saikranon mitgebracht. Aber kann es tatsächlich sein, dass dieses Wesen, das uns da angriff, etwas mit den Ankchoraik zu tun hatte, so wie Epokrav sie erwähnt?“
„Die Ankchoraik hat es zu Zeiten der Späten Feuerkriege gegeben. Aber wir wissen seitdem sehr wenig von dem, was mit den Kinphauren geschah, seit sie hinter den Saikranon zurückgedrängt wurden. Dazwischen erstreckt sich zeitlich die ganze Ära der Neuen Menschen. Und was das Räumliche betrifft, so sind wir froh, dass zwischen Himmelsriff und den Kinphauren die Drachenberge, der ganze Norden des Idirischen Reiches und die weite Barriere des Saikranon liegen. Es ist also durchaus möglich, dass es noch immer Ankchoraik gibt. Wir wissen es einfach nicht. Und wenn es sie gibt, so kann niemand sagen, wie viel sie noch mit den Ankchoraik der Späten Feuerkriege gemeinsam haben.“
Auric besaß keine klaren religiösen Vorstellungen. Nach den Fragen und dem Forschen der Kindheit und der Zeit des Heranwachsens hatte er es aufgegeben, aus den verschiedenen Antworten des Thyrinsglaubens und den auch nicht immer einhelligen Sichtweisen, die sich ihm im Inaimismus seiner Mutter darboten, für sich eine Wahrheit über die Dinge hinter dem Schleier dieser Welt herauskristallisieren zu wollen. Der Thyrinsglaube, dem das Volk seines Vaters anhing, lag ihm fern, denn er war ein zentraler Teil der Weltsicht der Valgaren,
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