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Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Titel: Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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ist der Gesang noch nicht zu Ende. Kannst du mir auch den Rest hersagen?“
    Auric sah dem Kaufmann in die Augen, erstarrte innerlich, als er die Falle erkannte. Er hielt den Blick des Kaufmanns fest und rezitierte dabei langsam, Wort für Wort, als sei jedes davon ein Ziegelstein, den er auf eine Mauer schichtet.
    „Und so – und das ist sein Geheimnis – ist dieser Staub tatsächlich nichts als Staub und doch zugleich die Länder unserer Herkunft. Und diese Länder unserer Herkunft, und mögen sie auch ferner von uns sein, als durch Abgründe des Meeres getrennt, formen unsere Körper, wir sind von ihnen erfüllt, und wir sind eins mit ihnen.“
    Sie standen sich beide einen Augenblick im Schatten des Eingangs gegenüber. Auric spürte, wie eine fast greifbare Stille sich hinabsenkte und den Raum zwischen ihnen ausfüllte. Die Begleiter des Kaufmanns standen links und rechts hinter ihm, unbeteiligt, stumme Säulen seiner Präsenz.
    Der Kaufmann brach das Schweigen.
    „Du bekommst von mir einen Rat und ein Angebot, junger Mann aus dem Norden … Auric.“ Er schnalzte mit der Zunge. „Der Rat ist folgender: Lege dir einen normalen idirischen Bürgernamen zu.“ Er fasste Auric kritisch ins Auge. „Na ja, bei deinen dunklen Haaren, böte sich Der Schwarze an. Auric Irgendwas Morante. Und wo wir bei den Haaren sind: Investiere das Geld, das du hast, in einen so guten Friseur, wie du dir irgend leisten kannst, lass dir deine valgarische Mähne zu einem Kurzhaarschnitt stutzen; dann wirst du weniger auffallen.“
    Er breitete die Arme aus. „Das Angebot: Du siehst äußerst kräftig aus und machst den Eindruck, als könntest du dich deiner Haut wehren. Ich brauche eine Leibwache –“
    „Ich mache diese Art von Arbeit nicht“, unterbrach ihn Auric.
    „Aha.“ Das feine Lächeln des Kaufmanns war zu einer bloßen, maskenhaften Linie geworden. „Ausgerechnet.“
    Auric spürte, wie seine Augen sich unwillkürlich zu Schlitzen verengten, wie sein Atem schwerer und heftiger ging. Seine Hände, die an seiner Seite herabhingen, hatten sich zu Fäusten geballt.
    „Gut“, bemerkte der Kaufmann trocken, „dann kannst du für mich als Lagerarbeiter anfangen. Drei Pragta am Tag sind ein angemessener Lohn.“
    Auric spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. Er versuchte ruhig zu bleiben, trotz der in ihm aufsteigenden Bestürzung. Drei Pragta? Bis er bei diesem Lohn das Schulgeld für eine Woche zusammenhätte, würde er viele Monate brauchen, selbst wenn er sparsam lebte. Für einen Privatlehrer angelegt, würde eine Monatsersparnis ihm nur ein paar Stunden Unterricht einbringen.  
    „Nein. Danke.“ Er bemühte sich, seine zu Fäusten verkrampften Hände zu lockern.
    „Na gut, dann kann ich dir nicht helfen.“ Es klang leichthin.
    Auric spürte es: Bevor er etwas Dummes tat, drehte er sich lieber auf dem Absatz um, ließ den Kaufmann und seine beiden Begleiter im Schatten der Kolonnade stehen und stapfte hinaus in das sonnenklirrende Getriebe der Straße.
    Er ließ die Bevariam-Häuser hinter sich, ohne sich noch einmal umzublicken, bog nach rechts ab und arbeitete sich durch das Gedränge der Menschen raschen Schritts die Gasse bergauf in Richtung des Greifenviertels. Er warf den unterschiedlichen Schenken zu beiden Seiten kurz einen düsteren, abwägenden Blick zu, straffte sich dann aber, schnaubte heftig zwischen gebleckten Zähnen aus, was einige der Passanten sich erschreckt umschauen ließ, und setzte seinen Weg bergauf fort.
    Als er den kleinen Park, der die Hügelkuppe säumte erreicht hatte, war seine stärkste Wut auch schon verflogen. Er ließ sich unter einer weit ausladenden Zeder auf einer steinernen Bank nieder und blickte über die Stadt.
    Den Zorn hatte er in seinem Kampf gegen die steile Steigung der Straße und die Menschenmassen allerdings nicht einfach verloren, sondern nur in eine kalt glimmende Frustration verwandelt, die ihm jetzt als nur noch schlimmer erschien.  
    Ja, er hatte noch nicht einmal den Eindruck, dass, was ihm der Kaufmann angeboten hatte, ein unfairer Lohn war. Und wieder Ja, in diesem Gespräch hatte er es weiter gebracht als in den meisten anderen. In der Regel hatte man ihn angesehen, eingeordnet und ihm nicht einmal eine Chance gegeben, sich selber darzustellen und seinen Standpunkt darzulegen. Er hatte die Wahl zwischen Barbarenjobs oder gar keinen. Außerhalb der ihm durch seine Abstammung ins Gesicht geprägten Rolle, wurde ihm keine weitere Chance

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