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Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Titel: Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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der Kolonnaden an den Geschäften vorbeistreiften. Er erkannte den Blick, mit dem der Kaufmann ihn jetzt aus dem Schatten heraus musterte; er wusste, was dieser Blick sah, als der Kaufmann ihn von oben bis unten abschätzend an ihm entlang gleiten ließ und dann wieder zu seinem Gesicht zurückkehrte. Zum Gesicht mit den Zügen seines Vaters. Er kannte diesen Blick inzwischen von vorhergegangenen Bewerbungen um eine Arbeitsstelle, und er kannte ihn in einer kultivierteren und so noch tiefer schmerzenden Abwandlung, auf die er traf, wenn er sich bei Schulen und Kollegien erkundigte.
    „Ein Barbar als Schreiber, das wäre wohl etwas …“ Der Kaufmann schürzte die Lippen.
    Es lag nicht einmal die Schärfe der Boshaftigkeit in dieser Bemerkung, und das gab dem Abschätzigen darin ein nur umso stärkeres Gewicht. Der Kaufmann sah ihn einfach mit mildem Amüsement in den Zügen an, als gäbe es durchaus Gelegenheiten, bei denen er eine solche Wahl erwägen würde.
    „Ich bin der Idirischen Schrift und verschiedener Zahlensysteme in vollem Umfang kundig“, beeilte Auric sich zu sagen. „Ich nenne eine klare und schöne Handschrift mein eigen, beherrsche sowohl Alltags- und Verkehrssprache als auch Hoch-Idirisch perfekt in Wort und Schrift.“ Es kam ihm inzwischen flüssig von den Lippen, ohne dass der Zorn über die Notwendigkeit dieser Rechtfertigung ihm den Magen zusammenschnürte. „Ich bin des Weiteren vertraut mit allen gängigen Autoren und ihren Werken; in Stilfragen betrachte ich mich also als kompetent und versiert. Wenn Sie mich als exotische Absonderlichkeit präsentieren wollen … tut mir leid, ich passe nicht ins Klischee. Ihr Grund mich einzustellen müsste also rein in meinen Fähigkeiten und deren praktischem Wert für ihre Geschäfte liegen.“ In gewissem Sinne war das ein Bluff, dachte Auric, denn die gängigen Autoren die er kannte, beschränkten sich auf eine kleine Auswahl der Klassiker, die seine Mutter gesammelt hatte, in den Schrankfächern des Ehebettes oder ihrem Gedächtnis. So war er mit vielem, wie eben auch der Diegese , nur in Auszügen vertraut; anderes kannte er nur mündlich überliefert aus dem Gedächtnis – Schwarz auf Weiß gelesen hatte er es noch nie.
    Bei dem Kaufmann schienen seine Worte allerdings Wirkung zu zeigen. Er legte den Kopf schräg, hob die Augenbrauen ein Stück, während er ihn erneut musterte. Das Lächeln um seinen Mund hatte eine etwas andere Nuance angenommen.
    „Ich weiß von Ländern, mein Freund“, sagte er mit einem Mal, während das feine Lächeln nicht von seinen Zügen wich, „die uns von ihren Sitten und ihrer Art her erscheinen, als lägen sie auf einem anderen, fernen Kontinent, durch unbeschreiblich weite, wilde und absonderliche Meere von uns getrennt, und doch wandern wir an jedem Tag unseres Lebens durch ihren Staub; er klebt an den Sohlen unserer Schuhe, bei jedem Schritt, den wir gehen, er dringt mit der Luft in unsere Lungen, mit jedem Atemzug den wir tun. Er lässt den Weizen wachsen auf dem Feld, aus dem wir unser Brot backen. Er lässt das Gras grünen, dass der Ochse fraß, der sich zur baldigen Ergötzung unseres Magens dort am Spieße dreht. …“ Er hielt inne, blickte Auric scharf an und fragte: „Kennst du das Geheimnis dieses Staubs, junger Mann aus dem Norden?“
    Ohne einen Augenblick zu zögern, setzte Auric das Zitat an der Stelle fort, an welcher der Kaufmann abgebrochen hatte. „Das Geheimnis dieses Staubs ist, dass er nicht immer Staub war. In jenen Ländern, die uns so fremd scheinen, war dieser Staub der Marmor von Palästen, er formte hohe Säulenreihen durch die Könige schritten, die ihre Rücken vor den Schwarzen Drachenvätern beugten. Er formte die schimmernden Hauptstädte gewaltiger Reiche, die titanischen Türme der Farnúk, die den Himmel stützten und Schatten über ganze Länder warfen. Sie sind die tiefen, urdunklen Wälder, welche die geborstenen, aufgetürmten Gebeine der Erde deckten, über welche das Aufgebot dunkler Heere, Wogen von Stahl, geschmiedet in den tiefsten Hallen, gefirnisst mit Sonnenschichten machtwaltendster Zauberei und durchdrungen mit klirrend sich windenden Ketten von Eisesrunen, einst zog in die Schlachten der Feuerkriege.“ Er konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, als er hinzufügte, „Epokrav, Die Flamme der Alchemie , Siebtes Buch, Dritter Gesang.“
    „Eine schwierige Stelle“, gestand der Kaufmann ein. Er ließ sein Lächeln um eine Spur verblassen. „Doch damit

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