Ninragon - Homunkulus
wissen.
»Wo?«
»Marnak-Ställe.«
Gottverlassene Gegend also. »Fein. Wenn’s um eine Mission geht, komme ich mit meinen Kader und zwei Zwölfschaften Gardisten zu dem Treffpunkt.«
Der Rattenfürst grinste.
»Ich weiß, was du denkst«, sagte er. »Aber Vai Gau Nan will dir nichts. Das hier ist keine Falle für dich. Er will schließlich, dass du ihm gegen die Firnwölfe hilfst. Und außerdem …« Der Schnurrbärtige schürzte die Lippen. »Du hast ihn doch nicht verärgert. Vai Gau Nan ist zufrieden damit, was du bisher im Bereich deiner Möglichkeiten getan hast. Er möchte weiter mit dir arbeiten.«
Danak schniefte hart, maß ihn mit kaltem Blick. Sagte Na gut! mit einem Schlenker ihres Kinns.
»Kleine Truppe«, sagte der Rattenfürst. »Heute Abend, um zehn Glocken. Marnak-Ställe. Schnelle, unauffällige Sache. Bring deinen Kader mit. Das wird reichen. Das ist genau richtig.«
Sicher. Würde sie. Dann aber gepanzert und schwer bewaffnet.
Sie drehte sich um und ließ den Rattenfürsten in dem Laden stehen.
»Richte Vai Gau Nan meine Grüße aus«, sagte sie schon im Herausgehen.
Die Marnak-Ställe lagen auf einer größeren Freifläche am stadtauswärts gerichteten Ende von Ost-Rhun. Das Umfeld bestand aus Koppeln; ein Teil davon war einmal Übungsfeld der idirischen Armee gewesen, als es noch eine idirische Armee in Rhun gab. Darum herum erstreckten sich Lagerhallen, zum Teil von den Textil- und Papiermühlen, die Rhun einst groß gemacht hatten, dann noch die Gebäude von Manufakturen, Hallen von Viehhändlern, das Übliche.
Nachts war diese Gegend menschenverlassen. Ein fetter Mond hing am Himmel und brütete den Nachtwolken ihre letzte Bläue aus dem Leib. Es war noch einmal ein warmer Tag gewesen. Staub hing in der Luft.
Von weitem schien alles in Ordnung zu sein, also rückten sie im bleichen Mondlicht über den Pfad zwischen den Koppeln vor.
Sandros war mit dabei; sie hielt ihn im Auge. Er zog klackend den Spannhebel seiner Sturmarmbrust durch, als sie zwischen den Koppeln hervortraten und sich eine Gestalt aus dem Schatten des kahlen, hohen Gebäudes löste.
Auch im Dunkeln konnte sie schon erkennen, dass es nicht der schnurrbärtige Botenjunge des Vastacken war, der sie da in Empfang nahm. Der Kerl war kleiner und ein wenig schief gebaut. Auch als er näher heran kam, erkannte sie ihn nicht. Die Nase saß wie ein kleiner, schräger Haken im Gesicht, die Brauen standen an einem platten Schädel stark vor. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie ihn noch nie gesehen hatte. Er trug auch keine Meutenkluft.
Sandros ließ noch einmal die Waffe in seiner Hand scharf aufklacken.
Der Kerl grinste nur schief.
»Danak, richtig? Ich sollte euch erwarten.«
Danak sah sich um. Das Freifeld lag verlassen.
»Wo ist Vai Gau Nan?«
»Der Große mit dem blau angelaufenen Gesicht? Ich kenne keine Namen. Ich soll euch zu dem Treffen bringen.«
Der Rest ließ noch einmal die Blicke und die Waffen im Kreis nach außen schwenken. Dann folgten sie dem Mann.
Die Marnak-Ställe waren von innen ein verwirrendes Gedränge von Lattengängen und Abzäunungen. Als sie eintraten, stieg ihnen der Gestank nach kotigem Stroh und Pferdepisse scharf in die Nase. Von oben her fielen fahle Bahnen von Mondlicht in das trüb vergraute Dunkel. Faseriger Staub tanzte darin wie Algenschwirren in den warmen Schichten eines Tümpels.
Von irgendwo aus dem hinteren Teil kam leises Wiehern. Dort nahm man auch vage Bewegung wahr. Es stapfte, scharrte, klopfte gegen Latten. Kaum etwas klar zu sehen in dem Gewirr der Balken und Gänge.
Der Schiefe führte sie durch einen Mittelgang, kaum breit genug für drei Mann nebeneinander, der von Lattenreihen eingezäunt war. Rohes Holz von oben nach unten, im engen Abstand. Man kam sich fast wie in einem Käfig vor.
Ein Seitenblick zeigte ihr, dass auch die anderen argwöhnisch ihre Blicke ins Dunkel schweifen ließen. Sie behielt den Schiefen vor ihr im Auge.
Der Kerl kannte anscheinend gar keinen. Nicht den Vastacken, sie nicht. Keine Meutenkluft. Warum ein kompletter Außenseiter?
Der Gang war lang und schmal und endete an einer Gattertür, die gleiche Machart, wie die Lattenreihen zu den Seiten hin.
Der Schiefe beschleunigte plötzlich seine Schritte.
»Hey«, schrie sie ihm zu.
Da lief er auch schon los. Durch die Tür. Sie lief ihm hinterher, da knallte die Tür zu, ein Schloss rastete ein.
»Scheisse!«
Eine Falle, sie hatte es doch gewusst.
Sie warf sich gegen die Tür.
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