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Nixenblut

Nixenblut

Titel: Nixenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dunmore
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dass sie mir gehört.
    Sadie ist sehr liebebedürftig, aber keine Klette. Sie hat wirklich einen perfekten Charakter und ist immer ganz aufgeregt, wenn sie mich sieht. Hunde lassen es dich spüren, wenn sie dich lieb haben. Sollten Jacks Eltern sie je an einen anderen Menschen verkaufen, glaube ich nicht, dass sie glücklich werden würde. Ich würde ihr genauso fehlen wie sie mir.
    »Hör zu, Sapphire!«, sagt Mum. »Im Tiefkühlfach ist eine Peperonipizza. Außerdem haben wir noch Frühlingszwiebeln und Marys Kopfsalat.«
    Ich nicke. Ich hasse Frühlingszwiebeln und verstehe gar nicht, warum sich überhaupt jemand damit abgibt, sie anzubauen.
    »Du kommst doch klar, oder?«, fragt Mum und runzelt besorgt die Stirn. Sie lässt mich wirklich nur höchst ungern allein und macht sich bestimmt große Sorgen, während sie bei der Arbeit ist. Sie muss arbeiten, weil wir das Geld brauchen. Dad hatte keine Lebensversicherung abgeschlossen.
    Ich will nicht, dass sie sich Sorgen macht.
    »Wir kommen schon zurecht, Mum.«
    Mum gibt mir einen flüchtigen Kuss, ehe sie aus der Tür eilt. Ich höre, wie sie den Motor anlässt. Dann hupt sie, damit ich das Tor am Ende der Einfahrt öffne. Ich laufe hinaus, löse die orangefarbene Schnur, mit der es am Pfosten befestigt ist, und lasse das Tor weit aufschwingen. Mum beschleunigt
den Wagen und winkt mir mit breitem Lächeln zu, doch sie kann mir nichts vormachen.
    Zurück ins Haus. Drinnen ist es so warm, dass ich die Tür offen lasse. Ich frage mich, wo Conor bleibt.
    Wahrscheinlich ist er bei Jack, sitzt vor dessen Computer oder spielt mit den Hunden.
    Normalerweise erzählt er mir, wo er hingeht, und verschwindet nicht einfach.
    Nein. Ich will über dieses Wort nicht nachdenken. Wenn ich uns jetzt schon was zu essen mache, können wir danach fernsehen, solange wir wollen. Ich nehme die Pizza aus dem Gefrierfach und lege sie auf ein Backblech. Ich wasche Marys Kopfsalat, schleudere ihn trocken und schneide vorsichtig die Wurzeln von Conors Frühlingszwiebeln ab. Wir haben dieses Jahr kein eigenes Gemüse gezogen. Dad hat sich immer ganz allein um die Gartenarbeit gekümmert und alles Mögliche angebaut: Zwiebeln und Kartoffeln, Bohnen, Erbsen und Karotten und das ganze Salatzeug. Ich habe ihm oft dabei geholfen. Doch jetzt ist unser Garten verwildert und von Unkraut überwuchert, und ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, um ihn auf Vordermann zu bringen. Dad wäre entsetzt über seinen Zustand.
    Aber dann fällt mir etwas ein. Vom dichten Gestrüpp verborgen, befinden sich drei Stachelbeersträucher in unserem Garten. Ich frage mich, ob die ersten Stachelbeeren schon reif sind.
    Das sind sie. Sie sind prall und saftig, und wenn ich sie gegen das Licht halte, sehe ich die schwarzen Kerne unter der gelben Schale. Ich laufe in die Küche und hole ein Sieb. Dann beginne ich mit dem Pflücken. Wir werden Stachelbeeren mit Zucker und Schlagsahne essen. Wir haben noch
einen halben Karton haltbare Sahne im Kühlschrank, den Mum gestern von der Arbeit mitgebracht hat.
    Ich pflücke und pflücke. Dornige Zweige zerkratzen mir die Beine, die Stacheln stechen in meine Hände, aber das macht mir nichts aus. Das Sieb ist jetzt fast ganz voll. Mum wird sich freuen, wenn morgen noch genug da sind. Auch Conor wird begeistert sein.
    Conor. Wo ist er? Auf einmal packt mich wieder die Unruhe. Ich schaue auf die Uhr. Es ist fünf vor halb sechs. Mum wollte, dass ich sie anrufe, wenn er um fünf nicht zurück ist, aber das kann ich nicht tun. Sie würde sich solche Sorgen machen und nur einen Unfall riskieren, wenn sie sich Hals über Kopf ins Auto setzte und nach Hause raste. Außerdem wäre der Lohn eines ganzen Abends futsch.
    Ich schaue mich um. Alles ist ruhig. In einiger Entfernung sehe ich, wie Alice Trewhidden die Geranien vor ihrer Haustür gießt. Doch selbst auf diese Distanz macht sie einen mürrischen Eindruck. Sie muss den Dingen mit ihrem Gesicht sehr nahe kommen, um etwas zu erkennen. Keine gute Idee, sie nach Conor zu fragen.
    Ich könnte Mary fragen.
    Ach, nein, lieber nicht. Conor ist nicht verschwunden . Er hat sich nur verspätet, das ist alles. Wenn ich Mary frage, wird aus Conors Abwesenheit plötzlich eine ganz ernste Angelegenheit – wie in der Nacht, als Dad …
    Nein. Ich will nicht daran denken . Nie im Leben will ich mir diese schreckliche Nacht in Erinnerung rufen.
    Ich könnte bei Jack anrufen. Vielleicht ein bisschen später. Aber was ist, wenn seine Mutter sagt:

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