Nixenblut
brüten.
»Was machst du hier, Saph?«
»Ich habe dich gesucht.«
»Aber es ist doch noch gar nicht Essenszeit, oder?«
Ich werfe einen Blick auf mein Handgelenk und bemerke etwas Schreckliches. Ich muss mit meiner Uhr im Wasser
gewesen sein. Mit meiner wunderschönen Uhr, die Dad mir in Truro gekauft hatte. Jetzt erinnere ich mich, wie ich meine Arme durchs Wasser gezogen habe. Ich habe überhaupt nicht an meine Uhr gedacht! Ich kann es nicht glauben. Die Zeiger deuten auf fünf nach sieben, doch der Sekundenzeiger bewegt sich nicht mehr. Ich schüttele energisch mein Handgelenk. Nichts passiert. Meine Uhr ist stehen geblieben.
»Oh, Saph, bist du etwa mit der Uhr im Wasser gewesen ?«, fragt Conor, während er meine nassen Shorts und mein nasses T-Shirt mustert.
» Jetzt ist sie kaputt.«
»Vielleicht geht sie wieder, wenn sie trocknet. Ich werde mal das Gehäuse öffnen«, sagt Conor. Aber wir wissen beide, dass die Uhr nicht zu retten ist.
»Sie ist kaputt, Conor!« Dicke, verzweifelte Tränen treten mir in die Augen. Dad half mir damals, die Uhr auszusuchen, aber die entscheidende Wahl habe ich ganz allein getroffen. Der Verkäufer hatte meine drei Favoriten auf den Ladentisch gelegt. Eine Uhr mit blauem Zifferblatt und goldenen Zeigern, eine silberne mit gleichfarbigem Armband und diese Uhr. Meine Uhr. Dad wartete schweigend ab, während ich die Uhren ein ums andere Mal anprobierte. Ich hielt mein Handgelenk von mir fort, um zu prüfen, wie die Uhren an mir aussahen. Dann war die Entscheidung gefallen. Diese war meine. Ich liebte sie. Aber es war die teuerste von den drei Uhren. Ich nahm sie ab und legte sie zurück auf den Ladentisch.
»Die blaue gefällt mir am besten«, sagte ich. Ich schaute auf die Preisschilder und wusste, dass es die billigste war. Doch was tat Dad? Er nahm die Uhr, die mir am besten gefallen
hatte, in die Hand und sagte: »Schau nicht auf die Preise, Sapphy. Du hast doch nur einmal im Jahr Geburtstag. Diese gefällt dir doch am besten, oder?«
»Woher weißt du das, Dad?«
»Du kannst mir nichts vormachen. Ich kenne dich zu gut, Sapphy.«
Er kannte mich zu gut, weil wir einander so ähnlich sind. Ich und Dad, Mum und Conor. Nicht dass ich Dad mehr geliebt hätte als Mum, aber …
»Weine nicht, Saph.« Conor legt mir den Arm um die Schultern. »Du hast es ja nicht mit Absicht getan. Aber hör zu: Du darfst niemals alleine hierher zum Schwimmen kommen. Das haben wir Mum versprochen.«
Du darfst niemals … Meine Empörung lässt die Tränen sofort verschwinden. »Und was ist mit dir? Schau nur, wie nass deine Haare sind. Du warst mit diesem Mädchen zusammen im Wasser, stimmt’s?«
»Welches Mädchen?«
Ich starre ihn an. »Welches Mädchen? Na, das Mädchen auf dem Felsen, mit dem du geredet hast. Die so lange Haare hat wie ich.«
Conor sieht mich mit diesem typischen Älterer-Bruder-Blick an, den ich hasse.
»Wie konntest du ihre Haare erkennen, wenn wir da drüben auf dem Felsen waren?«
»Ich konnte es eben. Ich habe sie ganz genau gesehen.«
»Dein Problem ist, Saph, dass du eine Sache siehst und dir eine andere vorstellst.«
»Das stimmt nicht. Ich bilde mir nichts ein. Das habe ich vielleicht getan, als ich noch kleiner war.«
»Wenn du meinst.«
»Das sagst du jetzt nur, damit ich dir keine weiteren Fragen stelle.«
»Okay, okay. Ich bin schwimmen gegangen, nachdem ich den Schuppen ausgemistet habe. Vielleicht hätte ich dir Bescheid sagen sollen, aber ich wollte doch wirklich nur ein einziges Mal …«
Mir wird innerlich kalt aus Angst davor, was er mir sagen will. Was wollte Conor ohne mich tun?
»Ich weiß nicht«, fährt Conor fort, als spräche er zu sich selbst, »ich brauchte einfach ein bisschen Raum für mich selbst, glaube ich.«
»Aha.«
»Und nach dem Schwimmen habe ich mich zum Trocknen auf die Steine gesetzt, das ist alles.«
»Aber Conor. Den Schuppen hast du doch schon heute Morgen ausgemistet. Und jetzt ist es weit nach sieben Uhr abends. Vielleicht schon nach acht. Mum ist schon vor Stunden zur Arbeit gefahren. Du willst mir doch nicht weismachen, dass du sieben Stunden beim Schwimmen warst.«
»Was?« Conor packt mein Handgelenk und starrt auf das Zifferblatt meiner Uhr.
»Sie ist stehen geblieben, als ich ins Wasser gegangen bin«, sage ich.
»Es kann noch nicht so spät sein. Sie muss schon vorher kaputt gewesen sein.« Er schüttelt mein Handgelenk, als wolle er die Zeiger der Uhr dazu bringen, rückwärts zu laufen.
»Lass
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