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Nixenblut

Nixenblut

Titel: Nixenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dunmore
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Bedeutung zu sein. Sogar die Menschen, die du liebst, zählen nicht mehr. Du kannst dich nicht einmal mehr richtig an sie erinnern.«
    »Ich habe dich und Mum in Indigo nicht vergessen!«
    »Ach, nein?«

    »Die Erinnerung ist nur ein bisschen in die Ferne gerückt. «
    »Ich weiß, und so geht es immer weiter, bis dir schließlich alles egal ist.«
    »Hast du es so empfunden?«
    »Natürlich habe ich das! Ich wäre geblieben. Vielleicht bin ich immer noch da. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich den Robben so nah war. Elvira hat gesagt, sie würde mich zu den Verlorenen Inseln mitnehmen. Aber dann habe ich dich rufen gehört. Anfangs wollte ich es gar nicht hören und habe mich taub gestellt. Kann du dir das vorstellen, Saph? Ich wollte meine eigene Schwester nicht hören, obwohl sie vielleicht meine Hilfe brauchte. Aber du hast immer weiter gerufen, und ich hatte Angst, du könntest in Gefahr sein. Also musste ich zurück.
    Doch als ich ans Ufer kam, war von dir nichts zu sehen. Du warst wie vom Erdboden verschluckt. Ich habe stundenlang auf dich gewartet und schon gedacht, du würdest nie mehr wiederkommen. Ich bin ins Haus gerannt und habe dich überall gesucht. Dann bin ich zur Bucht zurückgekehrt und schließlich sogar ins Wasser gegangen, um dich zu finden. Aber ich konnte nicht mehr nach Indigo zurück. Ohne Elvira war das unmöglich. Ein ums andere Mal habe ich versucht zu tauchen, aber nichts ist passiert. Das Wasser ließ mich nicht ein, sondern stieß mich ab wie einen Gummiball. Es machte sich regelrecht über mich lustig.«
    »Aber… es waren doch nur ein paar Minuten, nachdem ich gerufen habe. Danach bin ich sofort zurückgekommen. Es kann nicht länger gedauert haben.«
    »Hat es aber, glaub mir. Du warst so tief in Indigo, dass es
dir wie Minuten vorkam. In Wirklichkeit waren es Stunden. «
    Jetzt fürchte ich mich beinahe vor Conor. Er sieht so aus wie damals, vorletzten Sommer, als Shadow eingeschläfert werden musste. Shadow war fünfzehn, was für eine Katze ziemlich alt ist. Wir haben sie alle geliebt, doch niemand hat sie so sehr geliebt wie Conor. Ich kann mir vorstellen, wie er das Haus und den Strand abgesucht hat, um mich zu finden. Wie er verzweifelt hin und her gelaufen ist in der Angst, mir könnte etwas Schreckliches zugestoßen sein.
    »Es tut mir Leid, Conor. Ich wusste wirklich nicht, dass ich so lange fort war.«
    »Die Geschichte wiederholt sich. Das ist es, was mir so Angst macht«, sagt Conor mit leiser Stimme. »Zuerst verschwindet der erste Mathew Trewhella. Okay, das ist nur eine alte Geschichte, die sich angeblich vor ewigen Zeiten abgespielt hat. Doch dann verschwindet Dad. Und plötzlich bist du unauffindbar. Ich dachte wirklich, ich würde dich niemals wiedersehen.
    Ich sag dir was, Saph. Ich werde dort nie wieder hingehen. Ganz gleich, was Elvira sagt. Ich werde nie wieder in Indigo sein. Das ist zu gefährlich.«
    »Auch Granny Carne wollte nicht, dass wir dorthin gehen. Sie hat uns davon abgehalten. Ich habe es genau gespürt. Es war so, als hielte man zwei Magneten aneinander, die sich gegenseitig abstoßen.«
    »Aber Elvira wollte, dass ich komme. Und sie wollte nicht, dass ich hierher zurückkehre. Weißt du, was sie gesagt hat? Das kann nicht die Stimme deiner Schwester gewesen sein. Die Strömungen erzeugen merkwürdige Echos. Ich habe nichts gehört. Doch ich weiß genau, dass ich dich
gehört habe. Ich kenne doch die Stimme meiner Schwester. «
    Ich hasse den Schmerz und die Unsicherheit in Conors Stimme. Und ich erschrecke bei der Vorstellung, dass Elvira ihn von mir fern halten wollte.
    »Sag mal … du gehst doch heute nicht zu Jack, oder? Du lässt mich doch nicht wieder allein …«
    »Nein«, sagt Conor, während seine Miene sich aufhellt. »Und, Saph …«
    »Ja?«
    »Vielleicht solltest du deine Haare abschneiden.«
    »Meine Haare abschneiden?«
    »Wenn du mit deinen langen Haaren im Wasser bist, dann fließen sie in alle Richtungen. Dann siehst du aus wie eine … wie eine von ihnen.«
    »Du meinst, wie eine Meerfrau?«, frage ich eisig. Wie kann er mir nur vorschlagen, meine Haare abzuschneiden? Er weiß doch, dass ich sie bereits seit meinem sechsten Lebensjahr wachsen lasse. Ich habe die längsten Haare der ganzen Schule. Ohne die Haare wäre ich nicht mehr ich selbst.
    »Ja«, antwortet er ernst. »Vielleicht sehen sie deine Haare, wenn du im Wasser bist, und denken, du bist eine von ihnen. Vielleicht wollen sie dann, dass du mit ihnen

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