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Nixenblut

Nixenblut

Titel: Nixenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dunmore
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Geheimnisse verraten? Ich bin sicher, dass es mir etwas sagen will.
    Vom Dachboden und aus Mums Schlafzimmer dringen keinerlei Geräusche. Niemand scheint aufgewacht zu sein.
    »Ssssssapphire!« Die Stimme ist jetzt eindringlich. Sie möchte mir näher kommen, aber das ist unmöglich. An Land kann das Meer dich nicht erreichen. Es steigt höchstens bis zur Gezeitenlinie. Granny Carne sagt zwar, Indigo werde immer stärker, doch bin ich mir sicher, dass es dem Meer nicht möglich ist, über die Felsen zu branden, die Felder und unseren Garten zu überfluten und direkt in mein Fenster zu schwappen.
    »Ssssssapphire … Ssssssapphire …«
    Es klingt wie das Brechen der Wellen. Auf einmal bin ich mir vollkommen sicher, dass es die Stimme des Meeres ist. Ich höre das Salz in ihr, das Schäumen der Wogen und das Rollen der Dünung. Es ist die Magie des Meeres, die zu mir spricht.

    Cranny Carne hat mich von Indigo fern gehalten, aber das war tagsüber. Meermagie scheint stärker als Erdmagie zu sein, wenn die Zeit reif für sie ist. Ich bleibe stehen, spüre die Dielen unter meinen Füßen. Wie spät ist es in Indigo? Meine Armbanduhr leuchtet an meinem Handgelenk. Die Zeiger sind um fünf nach sieben stehen geblieben, zu der Zeit, als ich ins Wasser hineinging.
    Auf der anderen Seite des Zimmers sehe ich meinen schimmernden Frisierspiegel. Das Mondlicht verstärkt den Eindruck, das zersprungene Glas habe die Form eines Seesterns. Obwohl es zersplittert ist, erkenne ich mein Spiegelbild. Bin das wirklich ich? Meine verfilzten Haare hängen wie Seetang an mir herab und mein Gesicht leuchtet wässrig.
    »Ssssssapphire!«
    Ich kann nicht schweigen. Ich muss antworten. Doch in dem Moment, als ich zum Fenster zurückgehe und meinen Mund öffnen will, geschehen zwei Dinge:
    Eine Eule jagt im Sturzflug an meinem Fenster vorbei, die Flügel weit ausgebreitet. Plötzlich hält sie inne und schaut direkt in mein Zimmer hinein. Ihr durchdringender bernsteinfarbener Blick brennt mir in der Seele. Dann ist sie verschwunden. Im selben Moment schallt ein ohrenbetäubendes Bellen durch die Nacht. Es ist Sadie! Ich weiß, dass sie es ist. Ihre Stimme erkenne ich überall. Sie bellt so verzweifelt, als habe sie einen Einbrecher gehört und wolle das ganze Haus wecken. Oh, Sadie, ich wünschte, du wärst nicht so weit weg! Ich wünschte, ich wäre bei dir. Dann wüsste ich, was mit dir los ist.
    Ihr Bellen verstärkt sich, als würde sie mir antworten. Ich habe das seltsame Gefühl, dass Sadie meinetwegen bellt.
Ich soll sie hören. Sie will mich warnen … mich beschützen …
    »Ist schon gut, Sadie, braves Mädchen!«, sage ich, obwohl meine Stimme sie unmöglich erreichen kann. »Es ist alles in Ordnung, niemand tut mir weh.«
    Doch Sadie kläfft immer weiter, als wolle sie die Nacht selbst auffordern, auf der Hut zu sein. Ich wette, Jacks Vater ist schon im Schlafanzug die Treppe hinuntergestapft, um nach einem Einbrecher oder dem Fuchs Ausschau zu halten, der es auf die Hühner abgesehen hat. Während Sadie nicht zu stoppen ist, muss ich lächeln. Mir ist, als wäre sie in meinem Zimmer. Sie klopft mit ihrem Schwanz auf den Boden und sagt mir, sie werde nicht zulassen, dass mir jemand wehtut.
    Mit einem Mal bin ich sehr müde. Warum steht mein Fenster offen? Ich schließe es, befestige den Haken und taumele ins Bett.
    »Schlaf gut, Sadie«, sage ich. »Es ist alles in Ordnung. Ich liege sicher in meinem Bett. Du kannst jetzt aufhören zu bellen. Ich danke dir …« In diesem Moment verstummt das Hundegebell, als hätte sie mich gehört. Ich kuschele mich in meine Decke und falle in einen traumlosen Schlaf.

Achtzehntes Kapitel

    W ach auf, Sapphire. Wach auf. Es ist wichtig. Du musst dich erinnern.
    Wer hat das gesagt?
    Eine weiße Wand. Die Wand meines Schlafzimmers. Ich bin wach. Zumindest glaube ich, dass ich wach bin. Es ist früh am Morgen. Mum ist noch nicht zur Arbeit gefahren. Ich höre sie unten.
    In meinem Kopf fällt alles an seinen Platz. Irgendwas war geschehen in der Nacht. Das Meer hat zu mir gesprochen, doch dann hat Sadie angefangen zu bellen und die Stimme des Meeres verstummte. Eine Eule erschien direkt vor meinem Fenster. Fast hätte ich ihre Federn berühren können. Sie starrte mich an. Ihre Augen erinnerten mich an etwas, doch ich weiß nicht, woran.
    Ich sitze kerzengerade in meinem Bett. Das war kein Traum. Das war Realität, und sie war von größter Bedeutung, auch wenn mir ihr Sinn nicht klar ist. Ich muss

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