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Nixenblut

Nixenblut

Titel: Nixenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dunmore
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    »Dad ist zu ihr ins Haus gegangen, während ich draußen blieb«, fährt Conor fort. »Ich war durstig, und als ich ein Tröpfeln hörte, bin ich hinter das Haus gegangen, wo ich den Trog entdeckte. Das Wasser einer Quelle läuft direkt in ihn hinein. Ein paar kleine Fösche habe ich auch gesehen.«
    »Worüber, glaubst du, hat Dad mit ihr geredet?«
    »Ich weiß es nicht. Er war eine ganze Weile bei ihr im Haus, aber das hat mir nichts ausgemacht, weil ich die Frösche beobachtet habe.«
    Conor ist ein hingebungsvoller Beobachter. Er schaut stundenlang den Robben zu, bis sie ihre Scheu verlieren und ganz nah an ihn herankommen.
    »Dann hat er mich gerufen, weil ihr Gespräch beendet war. Granny Carne stand mit verschränkten Armen in der Türöffnung und hat uns hinterhergesehen. Ich glaube, sie haben sich nicht mal voneinander verabschiedet. Vielleicht sind sie in Streit geraten.«
    »Wirkte sie denn zornig?«
    »Hm, zornig ist wohl nicht das richtige Wort. Doch beide waren sehr ernst.«
    »Hat Dad dir irgendwas erzählt?«
    »Nein, er ist so schnell gegangen, dass ich kaum mit ihm Schritt halten konnte. Doch … eines hat er gesagt.«
    »Was?«
    »Er sagte: ›Das war das letzte Mal, dass ich hier war.‹«
    »Dann müssen sie sich gestritten haben.«
    »Vielleicht hat sie ihm etwas erzählt, was er nicht hören wollte.«

    Ich versuche, darüber nachzudenken, was das hätte sein können. Es muss furchtbar sein, in die Zukunft blicken zu können. Zu wissen, was kommt, ohne es ändern zu können. Das ist wie ein Fluch.
    Doch falls Granny Carne wirklich Erdmagie besitzt, ist sie vielleicht auch in der Lage, die Zukunft zu beeinflussen. Dann gäbe es kein unabänderliches Schicksal, dem man entgegenrast, sondern tausend verschiedene Möglichkeiten. Nicht alle von ihnen müssen eintreten.
    Der Käfer hat sich entschieden, den Grashalm links liegen zu lassen, wie sehr ihn Conor auch vor ihm hin und her bewegen mag. Er trippelt zurück in seine Käferwelt, fort von den beiden rätselhaften Riesen, die Dinge tun, die er nicht versteht.
    Plötzlich wird die helle Sonne auf Conors Hand von einem Schatten verdunkelt. Wir heben die Köpfe und erblicken eine hohe Gestalt, die einen weißen Schleier vor dem Gesicht und weiße Handschuhe trägt. Ich brauche einen Moment, um zu erkennen, dass es sich um Granny Carne handelt.
    »Ich war bei den Bienen«, sagt sie, indem sie sich den schützenden Hut mit dem Schleier vom Kopf zieht und vorsichtig die Handschuhe abstreift. Sie trägt einen weißen Overall, die Hosenbeine stecken in ihren Stiefeln.
    »Wo sind die Bienen?«, frage ich.
    »Im Moor«, antwortet sie. »Ich ziehe nur eben meine Kleider im Schuppen aus, dann können wir hineingehen.«
    Die Leute erzählen sich merkwürdige Dinge über Granny Carnes Haus, doch sie sagen es nicht laut und niemals im Beisein von Kindern. Trotzdem kennen wir das Gerede natürlich. Niemand glaubt heutzutage noch an Hexen, aber was
ändert das schon? Sicher ist es bei ihr dunkel und unheimlich. Ich bin froh, dass Conor dabei ist.
    Granny Carne tritt mit ihren üblichen schäbigen Kleidern aus dem Schuppen, die sie wie ein Teil des Moores aussehen lassen.
    »Ich habe einen Honigkuchen gemacht, als ich euch kommen gesehen habe«, fährt sie fort, während sie uns die Tür öffnet. Drinnen sieht es ganz anders aus, als ich es mir vorgestellt habe. Das Erdgeschoss besteht aus einem einzigen großen Raum, der so kühl, nackt und leer ist wie eine Höhle. Er enthält nur die nötigsten Einrichtungsgegenstände: einen massiven Holztisch, auf dem man vermutlich tanzen könnte, ohne dass er zusammenbräche, hölzerne Stühle mit roten Polstern sowie einen glatten, dunklen Boden.
    »Setzt euch.«
    Auf einem blauen Teller befindet sich ein glitschiger Honigkuchen. Daneben stehen drei Teebecher, ein Krug mit Wasser und drei Gläser. Eins für sie, eins für Conor und eins für mich. Hat sie den Honigkuchen wirklich für uns gemacht? Hatte sie die drei Gläser schon auf den Tisch gestellt, bevor wir gekommen sind? Sie kann von unserem Besuch nichts gewusst haben. Wir haben uns doch heute Morgen erst dazu entschlossen. Vielleicht hat sie uns schon von weitem den Pfad hinaufgehen sehen. Doch wie soll das möglich sein, wenn sie gleichzeitig bei den Bienen im Moor war?
    »Mein Wasserkessel braucht immer ein bisschen Zeit«, sagt Granny Carne. »Aber heute ist ein heißer Tag. Ihr müsst sehr durstig sein von eurer Wanderung. Hier, trinkt ein bisschen

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