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Nixenblut

Nixenblut

Titel: Nixenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dunmore
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Moment unterbrochen. Sie hören ihm zu! Sie hören ihm wirklich zu, wie Granny Carne das gesagt hat. Dann schwillt das Summen wieder an. Conor bleibt noch kurze Zeit auf den Knien, dann steht er ganz langsam auf und zieht sich vom Bienenstock zurück.
    »Ganz vorsichtig«, murmelt Granny Carne, doch die Ermahnung ist überflüssig. Die Bienen scheinen sich von Conor nicht im Geringsten gestört zu fühlen.
    Wir gehen zum Haus zurück. Ich kann es kaum erwarten, Conor danach zu fragen, was passiert ist, doch Granny Carnes Schweigen verbietet jedes Wort. Im Garten zieht er die Schutzkleidung aus, die sofort wieder in den Schuppen gebracht wird.
    »Du hast deine Fragen gestellt?«, sagt Granny Carne, als wir uns verabschieden.

    »Ja.«
    »Es geht mich nichts an, ob du eine Antwort bekommen hast. Aber ich kann dir versichern, dass die Bienen dich mochten.«
    Conor strahlt. »Ich mochte sie auch. Später hätte ich gern eigene Bienen.«
    »Dann arbeite darauf hin. All eure Wünsche werden in Erfüllung gehen, wenn ihr darauf hinarbeitet. Sapphire wird den Hund nur bekommen, wenn sie selbst dafür sorgt.«
     
    »Meinte sie damit etwa, dass ich Sadie wirklich bekommen werde?«, platzt es aus mir heraus, sobald wir uns weit genug vom Haus entfernt haben. »War das eine Prophezeiung?«
    »Das glaube ich nicht. Vermutlich war es nur ein Rat.«
    »Erzähl mir, was du die Bienen gefragt hast!« Ich kann meine Neugier kaum zähmen.
    »Ich habe sie gefragt, ob Dad noch am Leben ist.«
    »Was?«
    »Du hast richtig gehört. Ich habe sie gefragt…«
    »Aber warum? Woher sollen sie das wissen?«
    »Du erinnerst dich doch daran, was ich dir über Dads letzten Besuch bei Granny Carne erzählt habe. Und ich habe gedacht, dass sie möglicherweise mit den Bienen über ihn gesprochen haben könnte. Oder dass Dad selbst mit ihnen geredet hat. So funktioniert die ganze Sache vielleicht. Vielleicht helfen ihr die Bienen dabei, in die Zukunft zu blicken.«
    »Du hättest doch bemerkt, wenn Dad mit ihr zu den Bienen gegangen wäre.«
    »Das ist nicht gesagt. Ich war doch hinter dem Haus und habe die Frösche beobachtet. Wie auch immer, als Granny
Carne sagte, dass die Bienen wissen wollen, wer geboren wurde und wer gestorben ist, da dachte ich, dass sie vielleicht auch über Dad Bescheid wissen. Und sie könnten sich bestimmt daran erinnern, weil sie ihre Erinnerung im Bienenstock bewahren.«
    Ich starre ihn ängstlich an. Was mögen die Bienen ihm erzählt haben? Doch wäre er sicher nicht so gelassen, wenn sie ihm gesagt hätten, dass Dad … tot ist.
    »Was haben sie denn geantwortet?«
    »Nichts. Ich war ein Idiot, wenn ich wirklich geglaubt habe, sie könnten mir etwas sagen. Und trotzdem war da etwas …«
    »Was?«
    »Ich weiß nicht. Es ist schwer zu beschreiben. Ein warmes Gefühl. Ein gutes Gefühl. Ich glaube, sie haben mir zugehört. Es hat ihnen auch nichts ausgemacht, dass ich bei ihnen war.«
    »Conor … glaubst du wirklich, dass Dad noch am Leben ist?«
    So. Endlich habe ich mich getraut, es auszusprechen. Manchmal habe ich solche Angst, dass wir uns nur gegenseitig etwas vormachen, Monat für Monat für Monat …
    »Ja«, sagt Conor.

Zwanzigstes Kapitel

    W as machst du denn hier, Mum? Es ist doch erst zwei Uhr!«
    »Dir geht es doch gut, Mum?«
    Mum errötet. »Ich dachte, ihr seid den ganzen Tag unterwegs« ist alles, was ihr in diesem Moment einfällt. Auf dem Tisch liegt bereits ein Stapel von Hühnchen- und Tomatensandwiches. Sie hält das Brotmesser in der Hand und will weitere Scheiben abschneiden. Was für ein riesiger Stapel – mehr, als Mum jemals essen könnte. Sie muss sie für uns alle gemacht haben.
    Ich dachte, ihr seid den ganzen Tag unterwegs.
    Also doch nicht für uns. Wirre Gedanken schwirren durch meinen Kopf. Die Sandwiches liegen nicht allein auf dem Tisch. Neben ihnen stehen eine Schale Oliven, ein Bastkorb mit Kirschtomaten, eine Tüte voller Kirschen, eine Packung mit meinen Lieblingschips, die wir fast nie kaufen, weil sie so teuer sind, sowie eine Flasche Wein. All die kostbaren Dinge, die nur in unser Haus gelangen, wenn sie im Restaurant übrig geblieben sind. Aber so sehen sie eigentlich auch nicht aus.
    Conors Hand schlängelt sich in die Tüte mit den Kirschen. Mum zieht sie weg.
    »Lass das! Die sind nicht für euch.«
    »Für wen sind sie dann?«, fragt Conor, doch wir beide
kennen bereits die Antwort: Roger . Roger hat Mum nach Hause begleitet, während wir bei Granny Carne waren. Mum

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