Nixenblut
ablehnend gegenüberstehen.«
»Und warum nicht?«
»Weil du ihn nicht kennst. Aber du willst ja nicht einmal herausfinden, wie er wirklich ist. Er ist ein wunderbarer Mensch und er mag euch beide. Er hat sogar…«
»Sogar was?«
»Ach, ich hätte nichts sagen sollen.«
»Was hättest du nicht sagen sollen?«
Mum wirft Conor einen Hilfe suchenden Blick zu, doch Conor schweigt.
»Also gut. Roger findet … warum auch immer… dass ich euch gegenüber nicht fair bin, was die Anschaffung eines Hundes angeht. Er hält euch für reif und verantwortungsvoll genug, um einen Hund zu haben. Allerdings hätte er seine Meinung vielleicht geändert, wenn er dieses Spektakel heute erlebt hätte.«
»Mum!« Die Gedanken schwirren nicht allein durch meinen Kopf, sondern wirbeln herum und schlagen mehrere Purzelbäume, bevor sie zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehren. Roger … Roger findet tatsächlich, dass uns Mum in Sachen Sadie ungerecht behandelt, und versucht, sie umzustimmen. Er versucht, sie zu überreden, dass wir doch einen Hund haben dürfen …
Bilder drängen sich in meinem Kopf zusammen: Sadie bei uns zu Hause, in ihrem Körbchen … Sadie tapst die Treppe zu meinem Zimmer hinauf, um mich am Morgen zu wecken – vielleicht schläft sie sogar in meinem Zimmer. Ich sehe mich mit Sadie spazieren gehen, wann immer ich will … auf dem Weg an der Küste, im Hügelland … schaue nach Dornen in ihren Pfoten, bürste ihr Fell … bade sie im Freien … bringe sie zum Tierarzt … pfeife nach ihr, wenn sie draußen herumstromert.
Komm, meine Sadie. Conor ist bei Jack, also sind wir heute Abend allein, aber das macht uns nichts aus, oder? Wir haben ja uns.
»Jetzt schau mich nicht so an, Sapphy. Es ist noch nichts entschieden.«
»Oh, Mum.«
»Ich denke immer noch darüber nach. Mary Thomas hat gesagt, sie würde den Hund tagsüber im Auge behalten, wenn ihr wieder in der Schule seid.«
»Ich kann es nicht glauben.«
»Ganz ruhig bleiben, Saph«, sagt Conor.
»Jetzt reden wir nicht mehr darüber«, sagt Mum. »Ich muss mit dem Picknick weitermachen. Sie werden bald da sein.«
»Du willst also tatsächlich mit ihnen zur Bucht gehen?«, wiederholt Conor. Er klingt wie ein Erwachsener, nicht wie ein Junge. »Meinst du wirklich, dass das eine gute Idee ist?«
»Vielleicht fängt sie sogar mit dem Tauchen an«, sage ich schneller, als ich denken kann. Mum schaudert.
»Alles zu seiner Zeit. Roger und Gray kommen nachher mit dem Boot vorbei«, fährt sie fort, bevor sie weitere Brote schmiert.
Conor und ich schauen uns an. Zum ersten Mal haben wir das Gefühl, von der Wirklichkeit eingeholt zu werden. Ich würde lieber weiter an Sadie denken, aber ich kann nicht. Roger und Gray kommen hierher. Sie wollen tauchen. Das Meer bei den Bawns erkunden, wie Mum gesagt hat.
Für Roger ein ganz normaler Vorgang. Ein Tauchgang wie hunderte zuvor. Mit seinem Tauchpartner, seinem tollen Boot, seiner perfekten Ausrüstung und seiner langen Erfahrung. Mr Vollprofi.
Doch er rechnet nicht mit Faro und all den anderen Meerwesen. Ich habe nur einen winzigen Teil von Indigo kennen gelernt. Der Rest blieb mir verborgen, weil die Mer ihn verbergen wollen. Sie wollen dort keine Luftwesen. Das Riff bei den Bawns scheint eine besondere Bedeutung für
sie zu haben. Faro hat es mir damals gesagt, als er so fürchterlich wütend wurde. Ganz Indigo wird das verhindern . Waren das seine Worte? Oder sprach er von Verteidigung? Ganz Indigo wird sich dagegen zur Wehr setzen. Wie auch immer, er meinte jedes einzelne Lebewesen in Indigo. Faros Gesicht sah dabei aus wie ein aufgepeitschtes Meer.
»Okay, Mum, wenn du uns hier nicht mehr brauchst, dann gehen Saph und ich jetzt zur Bucht hinunter«, sagt Conor. »Meinst du wirklich, dass du den Weg alleine schaffst?«
»Ich denke schon«, antwortet sie. »Die Kletterei an sich macht mir keine Sorgen.« Sie zwingt sich zu einem Lächeln. Ich weiß, wie sehr sie das Meer immer noch fürchtet und wie viel Mühe sie sich gibt – Roger zuliebe. »Ich muss es alleine machen.«
»Aber sei vorsichtig. Die Klippen sind rutschig«, warnt Conor. »Vielleicht sollte ich dir doch helfen.«
»Glaubst du etwa, ich wüsste nicht zu gut, was alles passieren kann?«, fragt sie mit leiser Stimme. »Geht jetzt los, ihr beiden, und lasst mich das hier in Ruhe zu Ende bringen. Wir sehen uns später am Strand. Roger freut sich bestimmt schon darauf, dir seine Taucherausrüstung zu zeigen, Con. Er sagte, an der
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