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Nixenfluch

Nixenfluch

Titel: Nixenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dunmore
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Faro tut dasselbe. Mit einer geschmeidigen Bewegung stößt der Mann nach unten und berührt den Sprechstein, bevor er sich wieder zu uns gesellt. Seine Haare wogen um seine Schultern.
    »Ich bin Ervys, Morladers Onkel«, sagt er zu mir. »Wir sind Meeresboten. Wir sammeln Nachrichten aus allen Meeren und übermitteln sie unseren Leuten, wo auch immer sie sich aufhalten. Du bist uns willkommen. Ich habe mich hier eingefunden, um meine Gedanken und die meiner Leute mit dir zu teilen. Es sind schmerzhafte, düstere Gedanken, die deinen Kopf beschweren und deine Träume belasten können. Deshalb will ich die Gedanken nicht in dein Bewusstsein pflanzen. Bei dieser Versammlung wollen wir alles offen aussprechen.«
    Er schaut mich durchdringend an. Nie zuvor habe ich Augen gesehen, deren silbriger Glanz so intensiv war. Er sieht durch und durch wie ein Mer aus – mehr noch als Faro oder Elvira. Selbst Saldowr kann da nicht mithalten. Ich schiebe diesen Gedanken beiseite, um mich später damit zu befassen. Dieser Augenblick erfordert meine volle Konzentration. So viele Gesichter, so viele Augen. Doch die Tatsache, dass wir uns über dem Sprechstein befinden, führt irgendwie dazu, dass mich diese enorme Ansammlung von Mer nun etwas weniger einschüchtert als vorhin.
    »Es sind für uns alle gefährliche Zeiten«, fährt Ervys fort, »seit die Gezeiten sich umgekehrt und die Tiefe erwacht ist. Oder seit die Tiefe erwacht ist und die Gezeiten sich umgekehrt haben.«
    Plötzlich werde ich ungeduldig. Nach so einer langen Reise will ich mir keine leeren Phrasen anhören. Ich weiß selbst, dass dies schwere Zeiten sind. Ich weiß alles über die Spätfolgen der Flut. Sie sind wie Nachbeben eines Erdbebens und für jedermann klar zu erkennen. Seit die Gezeiten sich umgekehrt und die Tiefe erwacht ist … Was soll das eigentlich heißen?
    Offenbar steht mir meine Ungeduld ins Gesicht geschrieben, denn plötzlich blafft Ervys mich an: »Glaubst du etwa, ich würde dir auf der Stelle all meine Gedanken mitteilen?«
    »Nein«, antworte ich kleinlaut, obwohl ich keineswegs eingeschüchtert bin. Faro wirft mir einen warnenden Blick zu, und ich erinnere mich an mein Versprechen. »Ich bin ein Freund der Mer und möchte zuhören«, sage ich, und diesmal entspannt sich Ervys Miene.
    »Du bist noch sehr jung«, entgegnet er und sieht mich mit leiser Skepsis an. »Aber wir haben gehört, dass du eine besondere Gabe besitzt. Saldowr sagt, du seist in der Tiefe gewesen.«
    Es ist totenstill geworden. Die Spannung ist zum Zerreißen gespannt.
    »Ja«, erwidere ich. »Ich war in der Tiefe, ehe der Gezeitenknoten sich gelöst hat.«
    Ich höre die Mer nach Luft schnappen, ehe ein Raunen durchs Wasser läuft. Ervys dreht sich um und hebt seine Hand.
    Erneut kehrt Ruhe ein.

Viertes Kapitel

    I ch wünschte, Conor wäre bei mir. Ervys schaut mich immer noch durchdringend an. Was will er von mir? Sein Gesicht ist hungrig.
    Die Augen aller Mer sind auf mich gerichtet, als würde man im grellen Scheinwerferlicht auf einer Bühne stehen. Es herrscht eine bohrende Stille. Wenn ich doch nur wüsste, was sie von mir erwarten. Ich spähe Hilfe suchend zu Faro hinüber, doch der hält den Kopf gesenkt und blickt unablässig den Sprechstein an, als wolle er damit seinen Respekt vor der Versammlung zum Ausdruck bringen.
    Vielleicht wartet Ervys darauf, dass ich zu sprechen beginne. Conor würde in diesem Moment bestimmt die richtigen Worte finden.
    »Du bist also in der Tiefe gewesen«, wiederholt Ervys schließlich. »Ich hatte schon davon erfahren, doch jetzt höre ich es aus deinem eigenen Mund. Das ist für uns … unvorstellbar. Nicht einmal Saldowr kann so weit hinabtauchen. Doch dir hat sich die Tiefe geöffnet. Sag mir, wie du das geschafft hast. Welche Kräfte dazu nötig waren.«
    »Ich … ich weiß es nicht.«
    Ervys wirft den Kopf zurück. Die Haare wirbeln um ihn herum. »Du weißt es nicht?« Seine Stimme ist voller Skepsis.
    »Es ist … es ist einfach passiert. Ich befand mich in einer heftigen Strömung. Irgendwann wurde ich aus ihr herausgeschleudert. Wir alle wurden aus ihr herausgeschleudert. Faro und Conor habe ich aus den Augen verloren. Sie wurden von mir fortgetrieben … Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern«, sage ich langsam. »Vielleicht habe ich vorübergehend das Bewusstsein verloren. Als ich zu mir kam, befand ich mich jedenfalls in der Tiefe. Es war so dunkel …«
    Meine Stimme versagt. Ich hätte gar nicht anfangen

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