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Nixenfluch

Nixenfluch

Titel: Nixenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dunmore
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Warum tue ich das? Ich betrachte Faro und Ervys, die ebenfalls ihre Hände gekreuzt haben. Ich schüttele den Kopf, obwohl sie mich nicht sehen können. »Der Krake …«, wiederhole ich prüfend. »Wer ist der Krake?«
    Für eine geraume Zeit spricht niemand ein Wort. Nur sehr zögerlich lösen sich die Hände der Mer wieder von ihren Gesichtern.
    »Der Krake lebt in der Tiefe«, antwortet Ervys. »Normalerweise schläft er, und solange er schläft, hat Indigo nichts zu befürchten. Wie du weißt, ist keiner von uns je in der Tiefe gewesen. Niemand hat den Kraken also je gesehen, doch wissen wir von unseren frühesten Vorfahren, dass er schon ein Mal erwacht ist.«
    »Wir lange ist das her?«
    »Das war vor ungefähr zehn Mer-Altern.«
    Zehn Mer-Alter. Was für eine Zeitspanne mag das sein? Sechshundert Jahre? Vielleicht siebenhundert? Aber da fällt mir ein, dass ich ja nicht mal genau weiß, wie alt die Mer werden. Ich hatte immer angenommen, dass sie genauso alt werden wie wir Menschen, aber vielleicht ist das gar nicht der Fall. Womöglich werden sie hundertfünfzig Jahre alt. Oder nur fünfzig?
    »Was tut denn der Krake, wenn er erwacht?«
    »Weißt du das nicht?«, fragt er mit einer Stimme, die meint: Wie kannst du nur so unwissend und dumm sein?
    »Geht es um Atomsprengköpfe?«, frage ich. Ervys starrt mich völlig perplex an. »Oder chemische Waffen?«, fahre ich fort.
    »Sapphire, was redest du da?«, fragt Faro.
    »Weißt du das nicht?«, frage ich zurück.
    Nach einem Moment der Stille scheint Ervys ein Licht aufzugehen. Erneut huscht ein unwilliges Lächeln über sein Gesicht. »Der Krake ist ein Wesen der Tiefe«, sagt er.
    »Ein Monster?«
    »Wir Mer haben den Kraken nie gesehen«, antwortet er bedächtig, »doch allein über ihn zu reden, ist schon gefährlich.«
    »Aber worum … worum geht es dann eigentlich?«
    Und warum jagt er euch solch eine Angst ein? , hätte ich gern hinzugefügt, traue mich jedoch nicht. Die Furcht der Mer ist mit Händen zu greifen. Sie sitzen jetzt so starr auf ihren Plätzen, als seien sie mit ihnen verwachsen.
    Dann meldet sich Faro zu Wort: »Manche sagen, dass der Krake so ist wie wir. Dass er Mer-Blut hat. Doch er gehört der Tiefe an, und die Tiefe hat ihm seine Mer-Natur geraubt und ihn in ein Monster verwandelt. Niemand kann ihn ansehen, Sapphire. Sein Anblick lässt dir das Blut in den Adern gefrieren und macht deinen Körper kalt wie den Tod.«
    »Aber wenn niemand von euch den Kraken je gesehen hat, woher wollt ihr dann wissen, dass er ein Monster ist?«
    Ehe Faro antworten kann, hebt Ervys seine Hand und reißt das Gespräch wieder an sich. »Der Krake ist zur Zeit unserer Vorfahren schon mal gesehen worden. Er kam dorthin, wo die Tiefe beginnt, um sein Reich einzufordern. Unser Hüter hat ihn in einem Spiegel gesehen. Seitdem hat nie wieder jemand einen Blick auf ihn erhaschen können. Er kann es nicht ertragen, gesehen zu werden. Er hat unseren Hüter mit einem Krankheitsfluch belegt, der hundert Monde anhielt.«
    »Der Hüter … du meinst Saldowr?«
    »Saldowr!«, stößt Ervys aus, der seinen Neid und seine Missgunst nicht länger verbergen kann. »Ich rede davon, was vor zehn Mer-Leben geschah. Was war Saldowr zu dieser Zeit?«
    Am Ende des Raumes regt sich murmelnder Protest. Faro ballt die Fäuste. Ich weiß, dass Saldowr damals schon da gewesen sein könnte. Zehn Mer-Leben sind nichts für ihn – so wie hundert Jahre nichts für Granny Carne sind. Doch Ervys will nicht glauben, dass Saldowr solch eine Macht besitzt.
    Wie viel Unterstützung hat Saldowr bei den Mer, die sich hier versammelt haben? Niemand steht auf, um Ervys offen herauszufordern. Ich wünschte, jemand würde das tun. Ich wünschte, ich könnte das. Ich bin zwar aufgewühlt, will das Ervys aber nicht zeigen. Noch nicht. Ich bin nicht stark genug und dies ist sein Terrain. Auch Faro verkneift sich einen weiteren Kommentar, obwohl er den Kopf nach hinten geworfen hat und seine Augen wütend durch das Wasser funkeln.
    »Aber wenn der Krake in der Tiefe bleibt und die Mer sich von dort fernhalten …«, sage ich vorsichtig. Ich spüre die Angst, begreife aber nicht, warum sie so groß ist.
    »Dein Gerede zeugt von Unwissenheit«, sagt Ervys.
    Das bringt das Fass zum Überlaufen. Mir ist egal, ob er sich auf seinem eigenen Terrain befindet. Es ist mir sogar egal, dass seine Arme äußerst muskulös sind und mich ein einziger Schlag seiner Schwanzflosse töten könnte. So leicht werde ich

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