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Nixenfluch

Nixenfluch

Titel: Nixenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dunmore
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sollen, davon zu erzählen. Die Erinnerungen setzen mir immer noch zu, und jetzt kehren sie mit voller Kraft zurück. Die bedrückende Finsternis und Stille der Tiefe. Das Gewicht meiner Hand, die sich kaum noch bewegen ließ – als wäre sie aus Blei. Ich war gefangen, der Tiefe hilflos ausgeliefert. Hätte ich den Wal nicht getroffen, der mich gerettet hat …
    »Aber du hast überlebt«, entgegnet Ervys mit strenger Stimme. Er klingt wie ein Lehrer, der herausfinden will, was während seiner Abwesenheit im Klassenzimmer vorgefallen ist. »Wie sollten wir das glauben, wenn Saldowr es uns nicht selbst erzählt hätte? Wie sollte einem Menschen etwas gelingen, wozu selbst wir Mer nicht imstande sind?«
    Plötzlich verwandelt sich meine Furcht in Zorn. Wie kann er es wagen, an meinen Worten zu zweifeln? Warum bildet er sich ein, ich sei ihm etwas schuldig? Die Mer wollen etwas von mir. Deshalb hat Ervys seinen Neffen geschickt, um uns abzuholen. Doch Morlader hat uns nicht mal sicher hierher geführt. Er ist vorausgeschwommen und hat uns dann einfach im Stich gelassen. Im Tunnel mussten wir zusehen, dass wir alleine klarkamen. Was wäre geschehen, wenn Faro den Weg nicht gefunden hätte? Ich hätte niemals vermutet, dass sich der Eingang hinter dem Vorhang aus Seetang befindet. Und diese Klauenkreaturen hätten uns fast den Garaus gemacht.
    Warum müssen die Mer immer alles so kompliziert machen? Und jetzt, nachdem ich alles durchgestanden habe, weigern sie sich, mir zu glauben. Ervys verhört mich, als hätte ich ein Verbrechen begangen und wollte es nun vertuschen.
    Ich balle die Fäuste und bohre die Fingernägel in meine Handflächen. Ich überlege, was Conor wohl sagen würde, wäre er an meiner Stelle. Vermutlich würde er einen klaren Kopf bewahren und sein Herz befragen. Conor lässt sich nicht von seinen Gefühlen überwältigen, so wie ich. Die Leute hören ihm zu.
    Ich muss jetzt so sein wie er. Darf meiner Verärgerung nicht einfach Luft machen. Klar und deutlich muss ich zu den Mer sprechen, damit sie mir Respekt entgegenbringen.
    Warte, Sapphire, warte. Lass die Stille noch ein bisschen wirken. Ervys will etwas von dir. All diese Mer sind aus einem ganz bestimmten Grund gekommen. Du musst die Führung übernehmen. Du brauchst dich nicht befragen zu lassen, als wärst du vor Gericht.
    »Es stimmt, dass ich ein Mensch bin«, sage ich schließlich. Meine Stimme hört sich dünn an, aber jedenfalls zittert sie nicht. »Es stimmt auch, dass ich hier nicht in meiner eigenen Welt bin. Du wusstest, dass ich Hilfe brauche, um den Weg zu dieser Versammlung zu finden.«
    »Deshalb habe ich meinen Neffen zu euch geschickt.«
    »Aber Morlader hat uns allein gelassen. Wir mussten den Weg selbst finden.«
    »Faro kennt den Weg.«
    »Nicht gut genug, um sich wirklich sicher zu fühlen. Wolltest du uns auf die Probe stellen, Ervys?«
    Ich sehe ihm direkt in die Augen. Er runzelt die Stirn, und für einen Moment fürchte ich, dass ich zu weit gegangen bin und mir seinen Zorn zugezogen habe. Ich schaue nicht zur Seite, spüre aber, dass Faro mich intensiv ansieht. Er ist auf meiner Seite, da bin ich ganz sicher. Faro ist ein Mer, aber kein Freund von Ervys. Die Atmosphäre zwischen Ervys und mir ist so gespannt wie eine Gitarrensaite. Dann breitet sich zögernd ein Lächeln auf seinem Gesicht aus.
    »Saldowr hat ein richtiges Bild von dir gezeichnet«, sagt er langsam. Erleichtertes Gemurmel wandert durch den Raum. Offenbar waren auch die anderen Mer in Sorge. Oder könnte es sein, dass sie Ervys fürchten? »Saldowr hat uns erzählt, dass diese Menschen so hilflos aussehen wie Robbenbabys. Doch man darf sich nicht täuschen lassen.«
    »Wo ist Saldowr?«, frage ich begierig. »Geht es ihm gut? Hat er sich wieder erholt?« Die Wunde, die sich Saldowr in jener Nacht, als der Gezeitenknoten brach, zugezogen hat, müsste eigentlich längst verheilt sein. Saldowr ist mächtig und seine Magie so tief wie der Ozean – so wie Granny Carne stark wie ein Fels ist. Selbst wenn ihn sonst niemand heilen kann, ist Saldowr bestimmt in der Lage, sich selbst zu heilen.
    Doch Ervys gibt mir keine Antwort. Stattdessen fordert er Faro durch ein Kopfnicken auf, das Wort zu ergreifen. Zu meiner Überraschung taucht Faro erneut hinab und berührt den Sprechstein ein zweites Mal, als brauche er mehr Kraft. Dann wendet er sich an die Versammlung.
    »Ihr alle wisst, dass Saldowr mein Lehrer ist«, beginnt Faro voller Stolz. Ich schiebe den

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