Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nixenfluch

Nixenfluch

Titel: Nixenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dunmore
Vom Netzwerk:
abstatten, dass der Krake langsam ungeduldig wird«, fährt Ervys fort. »Der Bruch des Gezeitenknotens reicht ihm nicht. Wenn wir dafür sorgen wollen, dass er wieder einschläft, müssen wir schnell handeln. Aber natürlich werden wir alles dafür tun, um ein Opfer zu vermeiden.«
    »Die Mer können doch nicht bis in die Tiefe vordringen. Wie wollt ihr den Kraken dazu bringen, wieder einzuschlafen, wenn ihr nicht mal in seine Nähe kommt?«
    » Wir können das nicht tun«, sagt Ervys mit leichter Betonung des ersten Worts. »Doch wir glauben, dass es einen anderen Weg gibt. Vor langer Zeit, vor mehr als fünfzig Mer-Leben, ist der Krake schon einmal erwacht und hat über ein Jahr lang sein Unwesen in Indigo getrieben. Doch zu einem Opfer ist es nie gekommen. Mab Avalon hat den Kraken dazu gebracht, wieder einzuschlafen.«
    »Wer … wer ist Mab Avalon?«
    Ervys schüttelt den Kopf. »Das ist nicht ganz klar. Jedenfalls gehörte er nicht zu uns. Er kam nach Indigo und kehrte danach wieder in seine eigene Welt zurück.«
    »Was war das für eine Welt?«
    »Nach fünfzig Lebensspannen finden sogar wir es schwierig, zum wahren Kern einer Geschichte vorzudringen.«
    Fünfzig Lebensspannen, denke ich und fange an zu rechnen. Wenn die Mer etwa siebzig Jahre alt werden, wie wir Menschen, dann muss das jetzt … ungefähr dreitausendfünfhundert Jahre her sein.
    »Mab Avalon«, wiederhole ich. Obwohl ich diesen Namen noch nie gehört habe, kommt er mir seltsam vertraut vor. »Kam Mab Avalon … vielleicht aus meiner Welt? Der Menschenwelt?«
    »Er hat die Tiefe überlebt. Er hat Indigo den Frieden zurückgebracht. Er war Mab Avalon«, leiert Ervys herunter.
    Das ist so frustrierend. Ich will mehr erfahren, und Ervys erzählt immer nur das gleiche Zeug.
    In diesem Moment schwimmt Karrek wieder nach vorn, stößt zum Sprechstein hinab und taucht zu uns auf. Diesmal sieht er mir in die Augen und spricht mich direkt an. »Wir wissen nicht, aus welcher Welt Mab Avalon kam«, sagt er, »doch er war zweigeteilt wie du. Dafür spricht vieles, woran man sich erinnert.«
    Er blickt mich ernst an, nickt mir zu und schwimmt zu seinem Platz zurück.
    Ervys macht ein finsteres Gesicht. Offenbar ist er wütend wegen der Unterbrechung, doch er nimmt sich rasch wieder zusammen und fährt fort.
    »Wir wissen, dass Mab Avalon in die Tiefe vordringen konnte«, erklärt er mit sanfter Stimme, als hätte Karrek nichts gesagt. »Wir wissen, dass er den Kraken nach großem Kampf besiegt hat. Wenigstens dieses eine Mal konnte ein Kinderopfer vermieden werden.«
    »Du kannst sie das nicht fragen!«, bricht es aus Faro hervor.
    »Wir werden sie fragen«, entgegnet Ervys.
    Sie werden fragen … Alle Gesichter drehen sich zu mir. Sie sind immer noch von Furcht gezeichnet, doch erkenne ich jetzt auch ein wenig Hoffnung in ihnen. Sie hoffen, dass Ervys recht hat und ich das tun kann, wozu sie nicht imstande sind.
    Mum sagt immer, dass Eltern alles für ihre Kinder tun. Für sie durchs Feuer gehen. Doch was tun sie, wenn das nichts bringt? Wenn nur eine andere Person das eigene Kind retten kann?
    »Aber ich bin ein Kind …«, sage ich zögerlich. »Warum sollte der Krake nicht glauben …«
    Dass ich das Opfer bin, will ich fortfahren, doch bringe ich die Worte nicht über die Lippen. Der Gedanke ist zu schrecklich, um ihn auszusprechen. Und ganz bestimmt bin ich kein zweiter Mab Avalon , möchte ich hinzufügen. Das klingt wie der Name eines Kriegers in irgendeiner alten Geschichte. Eines Kriegers in einer altmodischen Rüstung, bewaffnet mit einem Schwert. Mit mir, Sapphire Trewhella aus Senara Churchtown, West Penwith, Cornwall, hat das nichts zu tun. Ich könnte auch noch England, die Erde, das Universum hinzufügen, denke ich und fange fast an zu kichern, obwohl die ganze Situation alles andere als komisch ist.
    Wenn die Mer glauben, dass ich sogleich nach Hause eile und mein kampferprobtes Schwert hole, um dem Kraken den Kopf abzuschlagen, dann haben sie sich getäuscht.
    »Du bist zu alt, um ein Opfer zu sein«, sagt Ervys.
    Eine Welle der Erleichterung schwappt durch mich hindurch, doch im nächsten Moment bemerke ich die angespannten, verzweifelten Mienen der Mer-Frauen. Einige halten sich die Hände vors Gesicht. Vielleicht sind es Mütter kleiner Kinder …
    Plötzlich habe ich Angst. Schreckliche Angst. Hier sind Hunderte von Mer und ich bin allein. Und sie alle wollen nur eins.
    Eltern würden alles für ihre Kinder tun . Wenn ich den Mer

Weitere Kostenlose Bücher