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Nixenfluch

Nixenfluch

Titel: Nixenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dunmore
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ein. Am Horizont ist eine scharfe Linie zu erkennen: Wahrscheinlich wird es Regen geben. Mit einem plötzlichen Gefühl der Reue sehe ich Roger den Strand hinaufgehen.
    Roger denkt, ich sei eine Lügnerin, die auf Mums Gefühlen herumtrampelt und Conor zum Lügen anstiftet.
    Mum glaubt, wir hätten zwei Nächte in St. Pirans verbracht und wären dort in Sicherheit. Doch glaubt sie das nur tagsüber. In der Nacht überfällt sie die Angst. Dann spürt sie, dass wir in Gefahr sind. Ihr Unterbewusstsein weiß Dinge, über die sie sich nicht im Klaren ist – so wie Conor damals die Inschrift auf dem Schlussstein lesen konnte.
    Conor denkt … Was denkt Conor? Er glaubt, der Talisman sei eine Botschaft von Elvira, die ihn verleiten soll, in die Tiefe vorzudringen. Sich in Gefahr zu begeben. Conor glaubt, er müsse auf mich aufpassen.
    Rainbow glaubt, ich sei ihre Freundin. Dabei verberge ich so viel vor ihr. Ich habe jede Menge Geheimnisse, die ich weder mit Rainbow noch mit irgendjemand sonst in der Menschenwelt teile. Kann ich mich da wirklich ihre Freundin nennen?
    Gloria Fortune weiß, dass ich im Meer war, behält dies aber für sich. Warum? Normalerweise erzählen sich Erwachsene so etwas. Vielleicht hält sie – ohne das selbst zu wissen – Indigo die Treue.
    Faro … Faros Gedanken sind nicht zu fassen. Sie entgleiten mir wie bunte tropische Fische, die aus Felsspalten hervorschießen und im nächsten Moment wieder verschwunden sind. Es ist so anstrengend, ständig hinter ihnen herzujagen. Manchmal ist Faro mir so nah, dass wir dieselben Gedanken und Träume zu teilen scheinen. So nah, dass wir keine Worte brauchen. Er nennt mich seine kleine Schwester, und manchmal habe ich wirklich das Gefühl, ihn schon immer gekannt zu haben, mit ihm aufgewachsen zu sein. Aber dann ist er mir plötzlich fremd und in einer Welt zu Hause, von der ich nicht weiß, ob ich ihr wirklich angehöre. Faros Loyalität zu Indigo ist grenzenlos. Er würde mich nicht davon abhalten, in die Tiefe zu schwimmen, wenn es den Mer nutzen würde. Ich frage mich, ob er mein Leben riskieren würde, um seine Leute zu retten.
    Granny Carne wusste sofort, dass der Talisman nicht von Menschenhand gemacht war. Ihre Sinne reagieren genauso schnell und präzise wie die von Sadie. Du kannst Granny Carne nichts vormachen, selbst wenn du es noch sosehr versuchst. Die Geschichte, die sie mir erzählt hat, geht mir nicht mehr aus dem Kopf. All die Leute, die sich aufgereiht hatten, um einen Stein aus dem Korb zu nehmen. Die eine Hand unter das Tuch steckten und beteten, dass sie einen weißen Stein erwischten. Doch irgendjemand hatte schließlich den roten Stein in der Hand. Wenn Granny Carne von diesen Leuten sprach, dann schien mir deren Geschichte und deren Leid nicht weit entfernt, sondern immer noch gegenwärtig zu sein.
    Ich sah sie deutlich vor mir. Ihre Gesichter waren von Angst verzerrt. Ihre Finger zitterten. Die Kinder schauten ihnen zu. Die Jüngeren waren zu klein, um zu verstehen, was geschah, doch die Älteren hatten nicht weniger Angst als ihre Eltern. Der Bulle unter der Erde verlangte brüllend nach einem Opfer. Was für ein Gefühl muss es gewesen sein, zu den möglichen Opfern zu gehören?
    Irgendjemand muss den roten Stein nehmen. Irgendjemand muss den roten Stein nehmen.
    Die Wörter hallen durch meinen Kopf, lauter und lauter, doch als es fast unerträglich wird, meldet sich Sadie zu Wort. Ein sanftes, tiefes Knurren dringt aus ihrer Kehle. Es klingt nicht aggressiv, ist aber doch eine Warnung. Es ist dasselbe Knurren, das sie stets ausstößt, wenn ein Unbekannter an unserem Haus vorbeigeht. Es sagt zu mir: »Ich bin hier und beschütze dich. Ich lasse nicht zu, dass dir jemand etwas antut.«
    Ich schlinge die Arme um sie und spüre ihren warmen, weichen Hals. Das Knurren kommt immer noch aus ihrer Kehle. Ich reibe mein Gesicht an ihrer Schnauze. Man braucht sich niemals Sorgen zu machen, was Sadie wohl durch den Kopf geht. Sadie würde niemals jemand im Stich lassen, den sie liebt. Ihre Liebe kennt keine Zweifel oder Komplikationen. Sie ist so selbstverständlich und stark wie das Sonnenlicht.
    »Ich bin so froh, dass ich dich habe, mein Mädchen.«

Achtes Kapitel

    I st euch schon mal aufgefallen, dass sich die Probleme, die einem am meisten Sorgen bereiten, später oft in Luft auflösen? So ist es auch mit dem Besuch bei Saldowr. Der Samstagmorgen ist wunderschön. Mehr Juni als April, sagt Mum, als sie die Wäsche aufhängt.

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