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Nixenfluch

Nixenfluch

Titel: Nixenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dunmore
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Besonderes. Außer … außer meinem Ausdruck. Die Augen im Spiegel sind unruhig und bedrückt. Die Lippen schmal. Ich sehe Zorn, Neid und Angst in meinem Gesicht. Mir schießt die Röte ins Gesicht, ehe ich mich Saldowr zuwende.
    »So sehe ich doch nicht aus, oder?«, flüstere ich, damit die anderen mich nicht hören.
    »Normalerweise reinigen die Leute ihr Gesicht, ehe sie in den Spiegel schauen.«
    »Aber mein Gesicht ist nicht schmutzig.«
    »Ich meine damit, dass die Leute selbst wählen, wie sie sich sehen wollen. Sie wollen immer nur das Beste von sich sehen, aber das erlaubt dieser Spiegel nicht. Ich weiß nicht, was dir der Spiegel zeigt, Sapphire, denn du bist die Einzige, die etwas erkennen kann.«
    Ich riskiere einen weiteren Blick. Der Spiegel zeigt mir dasselbe Gesicht.
    »Gib Conor den Spiegel.«
    Ich reiche ihn an Conor weiter. Auch er blickt in den zersprungenen Spiegel, und auch sein Gesicht mit dem dunklen Teint färbt sich rot. Ich frage mich, was der Spiegel ihm gezeigt hat, aber ich will ihn nicht fragen. Schließlich will auch ich von niemand gefragt werden.
    »Bin ich jetzt dran, Saldowr?«, fragt Faro unbeschwert. Saldowr sieht ihn prüfend an.
    »Wie du willst, mein Sohn. Hast du immer noch vor, die Tiefe zu besuchen?«
    »Natürlich. Wann hätte ich je ein Versprechen gebrochen?« Faro strafft seine Schultern und hebt stolz den Kopf.
    »An deinem Mut zweifle ich nicht«, sagt Saldowr.
    Ich auch nicht. Sein Mut reicht von seinen wallenden Haaren bis zur Spitze seiner kraftvollen Schwanzflosse. Ich weiß, dass er alles riskieren würde, um sein Versprechen zu halten. Doch er sollte das nicht tun. Die Mer können dort unten nicht überleben, das sagt jeder. Saldowr darf nicht zulassen, dass Faro sein Leben wegwirft, weil er etwas Unmögliches will.
    Zu meiner Erleichterung scheint Saldowr dasselbe zu denken. »Die Mer können in der Tiefe nicht existieren«, warnt er.
    »Aber Sapphire hat auch Mer-Blut, und sie war in der Tiefe.«
    »Ihr Blut ist gemischt, wie das ihres Bruders. Sie gehören genauso zu Erde und Luft wie zu Indigo. Deshalb können sie Dinge tun, zu denen alle, die ausschließlich Mer-Blut besitzen, nicht in der Lage sind. Zumindest haben sie die Chance, diese Dinge zu tun. Verstehst du, was ich sage? Willst du sie immer noch begleiten? Glaubst du immer noch, dass du dazu fähig bist? Diese Fragen solltest du dir selber stellen, mein Sohn. Es geht nicht darum, was du glauben möchtest . Suche die Wahrheit in deinem Herzen.«
    Ich frage mich, was Saldowr ihm mitteilen will. Er sollte Faro die Entscheidung nicht selbst überlassen. Das hat doch keinen Sinn. Doch ich habe das Gefühl, dass hinter Saldowrs Worten eine geheime Bedeutung verborgen liegt.
    Faro runzelt die Stirn. Eine gewisse Unruhe huscht über sein Gesicht. »Was sagst du da, Saldowr?«, fragt er empört. »Ich bin doch dein scolhyk und holyer . Mit jedem Tropfen meines Blutes gehöre ich zu Indigo. Ich würde mein Leben für Indigo lassen.«
    »Daran zweifle ich nicht, mein Sohn«, erwidert Saldowr. »Es ist deine Entscheidung, wohin du gehören willst, genau wie bei mir. Bist du bereit, in deinen Spiegel zu schauen? Er wird dir deine Frage beantworten, wenn du ihn lässt. Er wird dir sagen, ob die Tiefe dich abweist oder ob sie es zulässt, dass du in ihr dunkles Herz eindringst.«
    Faro verschränkt die Arme. Für einen Moment sieht es so aus, als wollte er sich gegen Saldowr auflehnen, doch dann lässt er die Arme sinken. »Ich will schauen.«
    »Dann nimm den Spiegel.«
    Faro streckt den Arm aus und greift so hektisch nach dem Griff des Spiegels, als wäre er eine Schlange, die herumfahren und ihn beißen könnte. Der Spiegel schimmert matt. Mehr kann ich nicht erkennen.
    Die Farbe weicht aus Faros Gesicht, bis es aschgrau ist. Er starrt unverwandt in den Spiegel und fängt am ganzen Körper an zu zittern. Dann sinkt der Spiegel langsam zu Boden und bleibt auf dem Grund der Höhle liegen.
    Faros Gesicht ist eingefallen, als er murmelt: »Der Spiegel lügt.«
    »Mein Spiegel kann nicht lügen.«
    »Er muss lügen.«
    »Dann, Faro, kannst du nicht in die Tiefe vordringen.«
    Faro sieht gepeinigt aus. Er schaut sich verzweifelt um, als sei er in eine Falle geraten. Ich wünschte, ich könnte ihm helfen. Ich weiß, wie es ist, wenn man seine größten Ängste in diesem Spiegel sieht. Damals habe ich meinen Vater gesehen, glücklich im Kreis seiner Mer-Familie. Saldowr sollte den Spiegel in seiner Schatzkammer

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