Nixenfluch
Gewissheit geben? Ich weiß nicht, was passieren wird, und sie wissen es auch nicht. Aber es ist ein Risiko, das wir eingehen müssen.«
Als Saldowr dies sagt, wird mir die ganze Schwere unserer Entscheidung bewusst. Irgendwie hatte ich stets darauf vertraut, dass Saldowr aufgrund seiner magischen Fähigkeiten bereits weiß, dass wir heil wieder zurückkommen werden. Sonst würde er uns doch niemals fortlassen, habe ich gedacht. Schließlich ist er erwachsen und wir sind Kinder …
Sei nicht blöd, Sapphire. Er ist doch kein Lehrer, der sich während eines Klassenausflugs um die Sicherheit seiner Schüler sorgt. Er ist ein Mer und Indigo vom Untergang bedroht …
»Und ich werde sie begleiten«, sagt Faro voller Stolz, indem er Ervys herausfordernd ansieht.
»Ist das wahr?«, will Ervys von Saldowr wissen. Saldowr nickt.
Ein seltsames Lächeln wandert über Ervys’ Gesicht. »Aber kein Mer kann in die Tiefe vordringen«, stellt er fest. »Nicht mal dein scolhyk und holyer , Saldowr, es sei denn, du setzt die Gesetze außer Kraft, die bei uns herrschen. Oder sind unsere Gesetze in diesem Fall … gar nicht ausschlaggebend?«
Für lange Zeit ist es vollkommen still. Ervys’ Begleiter sehen verwirrt, aber aggressiv aus, als würden sie den Sinn dieser Auseinandersetzung nicht verstehen, seien aber trotzdem fest entschlossen, sie für sich zu entscheiden. Faro versteht hingegen sehr gut, worum es geht. Er macht eine Bewegung nach vorn, doch Saldowr hält ihn zurück.
»Jetzt ist nicht die Zeit«, sagt er, ehe er von einem Hustenanfall geschüttelt wird. Die Adern auf seiner Stirn treten hervor, während er versucht, den Hustenreiz zu unterdrücken. Ein zufriedenes Lächeln breitet sich auf Ervys’ Gesicht aus.
Faro taucht nach dem Becher und hält ihn Saldowr an die Lippen. Saldowr leert ihn, während seine Finger sich zitternd um seinen Rand schließen. »Das reicht, Faro«, flüstert er. »Gib mir nichts mehr, selbst wenn ich dich darum bitte. Ich habe mein Limit erreicht.«
Ich weiß nicht, ob Ervys ihn versteht. Er und seine Begleiter dominieren die Höhle und scheinen den Anblick seiner Schwäche zu genießen. Wie können sie es wagen? Niemand hat sie hierher gebeten. Ich balle unwillkürlich meine Fäuste, so wie Faro.
»Dieses Kind hat dir etwas zu sagen«, krächzt Saldowr schließlich mit heiserer Stimme und zeigt dabei auf mich. Für einen Augenblick habe ich keine Ahnung, was er damit meint. Ich bin so im Hier und Jetzt gefangen, dass ich unseren geplanten Handel vollkommen vergessen habe. Doch als Conor mich anstößt, fällt er mir wieder ein.
»Wir haben uns bereit erklärt, in die Tiefe hinabzutauchen«, beginne ich. Meine Stimme zittert vor Angst, doch ich schlucke sie hinunter und sehe Ervys direkt in die Augen. Er wird mich nicht davon abhalten, das zu sagen, was gesagt werden muss.
»Und weiter?«, fragt er kühl.
»Im Gegenzug wollen wir die Mer bitten, uns ebenfalls einen Gefallen zu tun. Unser Vater ist in Indigo. Ihm muss die Möglichkeit gegeben werden, in die Menschenwelt zurückzukehren.«
Ervys macht ein finsteres Gesicht und verschränkt die Arme. Mortarow und Talek tun es ihm gleich.
»Das hätte im Versammlungsraum besprochen werden müssen«, knurrt er.
»Es gibt hier nichts zu diskutieren«, entgegnet Saldowr.
»Sie fordert uns auf, das Gesetz der Mer zu brechen.«
Saldowr stößt einen tiefen Seufzer aus. »Verstehst du nicht, Ervys, dass ohnehin schon all unsere Gesetze gebrochen sind? Der Krake ist erwacht.«
Ervys grübelt mit mürrischer Miene. Ich fürchte, er könnte mit den Lippen zustimmen, nicht aber mit seinem Herzen. Ich traue ihm nicht.
»Das ist Erpressung«, sagt er schließlich. »Ich stimme zu, weil ich keine Wahl habe. Meine Begleiter sind meine Zeugen. Talek, Mortarow, bezeugt, dass ich unter Zwang gehandelt habe.«
»Von Erpressung kann keine Rede sein!«, gebe ich erregt zurück, doch Saldowr hindert mich am Weitersprechen.
»Ihr alle stellt meine Geduld auf die Probe, wie auch die Geduld des Wals. Du bist nicht mehr im Versammlungsraum, Ervys. Die Zeit für Gespräche ist vorbei.«
Vielleicht ist es nur eine alte Gewohnheit, die Ervys und seine Begleiter verstummen lässt. Doch ist eine gespannte, unheilvolle Stille entstanden. Ich klammere mich an die Hoffnung, dass Ervys sich nicht offen gegen Saldowr auflehnen wird, solange er uns noch braucht.
Ervys ist stark. Mit muskelbepackten Armen und Schultern. Er ist im besten Alter und er kann
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