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Nixenfluch

Nixenfluch

Titel: Nixenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dunmore
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verlierst du noch den Anschluss.«
    Ich möchte bei ihm sein. Ich möchte die Wälder von Aleph als Erste erreichen, um Saldowr die Nachricht von unserem Sieg zu überbringen. Warum sollten Conor und Faro …?
    Nimm dich zusammen, Sapphire. Es kommt doch nicht drauf an, wer zuerst da ist. Der Krake schläft wieder. Das ist das Einzige, was zählt.
    Außerdem lässt das Tempo des Wals immer mehr nach. Sie schwimmt jetzt so langsam, dass ich wirklich den Anschluss verliere oder sie hier zurücklassen muss.
    »Das Wasser wird langsam zu flach für mich«, sagt sie schließlich. »Ich muss dich hier allein lassen, kleiner Nacktfuß. Jetzt kannst du dich den Delfinen anschließen.«
    »Aber du warst doch schon früher bei Saldowrs Höhle. Bitte komm mit. Er will sich bestimmt bei dir bedanken. Bitte, lieber Wal.«
    »Nein, meine Kleine. Ich bin verletzt und finde den Weg nicht mehr so gut wie früher. Ich muss dich jetzt verlassen.«
    »Aber, Wal«, entgegne ich erschrocken. »Dir geht es doch gut, oder? Du wirst doch nicht …?«
    Ich höre das Lächeln in ihrer Stimme, als sie beruhigend erwidert: »Ich werde noch viele Tintenfische besiegen, bevor ich sterbe, und sie auch töten. Wie schade, dass du dir nichts aus Tintenfisch machst, Kleine. Du weißt gar nicht, was du dir entgehen lässt. Vielleicht darf ich ja eines Tages einen für dich fangen. Es gibt im Leben nur wenige Genüsse, die einem vollen Bauch voller Tintenfisch gleichkommen.«
    »Komm schon, Sapphire!« Faros Ungeduld dringt durch das Wasser. Er hat nicht mitbekommen, warum der Wal ins Hintertreffen geraten ist. »Ich kann Saldowrs Höhle sehen!« Der Delfin, auf dem er reitet, krümmt seinen Rücken, steht für einen Moment fast regungslos im Wasser und taucht dann nach unten.
    »Geh, meine Kleine. Geh mit ihnen.«
    »Sie wollten nicht undankbar sein, lieber Wal. Du hast so viel für uns getan. Du hast unser Leben gerettet.«
    »Das war doch eine Kleinigkeit. Dein Bruder hat mir gedankt. Wir werden uns wiedersehen. Außerdem habe ich dir noch gar nicht meinen neuen Witz erzählt.«
    »Na los, erzähl!«
    Sie macht eine Pause. Schließt konzentriert ihre Augen. Die Falten auf ihrer Stirn scheinen noch tiefer zu werden.
    »Wann ist ein Wal … kein Wal«, sagt sie zögernd.
    »Ich weiß nicht. Wann ein Wal kein Wal ist?«
    »Wenn er … wenn er … warte mal, ich hab’s gleich. Gerade lag’s mir noch auf der Zunge …«
    »Wenn er …?«
    »Wenn er … wenn er von einem Hai angegriffen wird!«
    Stille. Nach einer Weile sage ich: »Ich weiß nicht genau, warum das lustig sein soll. Wahrscheinlich ist das eher ein Insiderwitz unter Walen.«
    »Nein, nein«, entgegnet der Wal. »Das liegt daran, dass Wale keine Witze erzählen können. Ich hab schon wieder die Pointe verpfuscht.«
    »Weißt du was, nächstes Mal erzähle ich dir einen von Conors Witzen. ( Einen ganz einfachen , denke ich im Stillen.) Dann können wir die Pointe so lange üben, bis du sie im Schlaf beherrschst.«
    »Ich bin sicher, du kannst mir das beibringen, kleiner Nacktfuß«, sagt der Wal. »Wenn es jemand kann, dann du.«
    Man kann einen Wal nicht umarmen. Das ist absolut unmöglich. »Anatomisch unmöglich«, wie Faro vor langer Zeit sagte, als wir uns das erste Mal begegnet waren und ich ihn versehentlich als »Meerjungfrau« bezeichnet hatte.
    Man kann nur seine Arme möglichst weit ausbreiten, so viel von der rauen, rissigen Haut berühren wie möglich und ihr irgendwie zu verstehen geben, dass man sie nie vergessen wird, weil sie einem das Leben gerettet hat, und dass man wünscht, ihre Tochter hätte sie nicht verlassen und man selbst müsste nicht Abschied von ihr nehmen.

Siebzehntes Kapitel

    S aldowr wartet im Herzen der Wälder auf uns. Er streckt uns seine Hände entgegen. Selbst sein Umhang scheint wieder mit Leben erfüllt zu sein. Er wallt und glänzt wie fließendes Wasser, obwohl sein Saum immer noch zerrissen ist. Es geht ihm besser! Seine Wunde muss sich geschlossen haben.
    Doch als wir näher herankommen, begreife ich, dass ich mich geirrt habe. Der Schmerz hat immer noch tiefe Furchen in Saldowrs Gesicht gegraben. Man sieht ihm an, dass es ihn große Mühe gekostet hat, aus seiner Höhle herauszuschwimmen.
    Aber er hat es getan. Er wartet auf uns, und sein Gesicht leuchtet vor Freude, während er zur Begrüßung die Arme ausstreckt. Faro beugt seinen Kopf über Saldowrs rechte Hand und küsst sie. Conor versteift sich ein wenig neben mir. Nie und nimmer wird er

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