Nixenfluch
den Kopf. »Mir geht’s gut.«
»Das Zeug ist super, Conor.«
»Du hast genug gehabt, Saph. Wir müssen jetzt nach Hause.«
»Nach Hause … natürlich, das hätte ich fast vergessen.«
Ich schaue in die Runde der Mer-Gesichter. Das ist hier nicht wie im Versammlungsraum, wo alle Mer auf ihren Plätzen saßen und mir sehr distanziert vorkamen. Meine Leute , hat Faro stets voller Stolz gesagt – als gäbe es nichts Besseres, als den Mer anzugehören –, im Bewusstsein, sich niemals zwischen der einen oder der anderen Welt entscheiden zu müssen.
Doch Faro war in der Tiefe und hat überlebt, wozu Mer eigentlich nicht imstande sind. Faro weiß, was das bedeutet, will es aber immer noch nicht wahrhaben. Er bekämpft dieses Wissen mit aller Macht. Er will unbedingt zu hundert Prozent ein Mer sein, mit Haut und Haar, und sich niemals der schmerzhaften Tatsache stellen müssen, anders zu sein als die anderen. Ich weiß genau, wie sich das anfühlt. Auch ich möchte so gern dazugehören. Aber zu wem?
»Wir sind dir zu großem Dank verpflichtet«, sagt Saldowr schließlich. »Die Mer werden niemals vergessen, was du für sie getan hast. Deine Sorgen sollen unsere Sorgen sein. Deine Freunde sind unsere Freunde, deine Feinde unsere Feinde.«
Die versammelten Mer murmeln bestätigend und strecken ihre Hände aus.
Die Mer klatschen anders als wir. Ihr Applaus macht erst mal einen ziemlich merkwürdigen Eindruck. Sie strecken ihre Hände aus und schlagen mit dem Ballen der linken Hand auf den Rücken der rechten. Zunächst schlagen sie langsam und rhythmisch und dann immer schneller, dass es sich schließlich so anhört wie ein gewaltiger Trommelwirbel.
Mir ist nie zuvor applaudiert worden, abgesehen von den Momenten, als ich in der Schule die Schwimmmedaille bekommen habe und solche Sachen. Es ist einer der stolzesten Momente meines Lebens, doch zugleich einer der unbehaglichsten, weil ich nicht weiß, wie ich den Mer danken soll. Soll ich huldvoll lächeln wie die Queen oder mir einfach nichts anmerken lassen, als sei ich Ovationen gewohnt? Faro ist ernst und in sich gekehrt. Conors Gesichtsfarbe ist dunkler geworden, doch scheint er zu wissen, wie er sich verhalten soll. Langsam senkt er den Kopf zum Dank. Darauf hätte ich eigentlich auch kommen können. Saldowr sieht mich leicht amüsiert an. Ich entscheide mich, einfach geradeaus zu gucken.
Plötzlich erstirbt der Applaus. Eine Gestalt bahnt sich ihren Weg durch die Menge.
Ervys. Ist er also doch noch gekommen. Der hat vielleicht Nerven , denke ich. Und Mut , das muss man ihm lassen. Wenn er zornig ist, verbirgt er dies gut hinter seiner ernsten und selbstbewussten Fassade. Seine Begleiter kann ich nirgends erblicken, doch vermute ich, dass sie sich irgendwo hinten in der Menge aufhalten, wo ihnen Saldowrs Spiegel nicht gefährlich werden kann.
Ervys kommt allein nach vorn. Der Mer gleiten zur Seite, um ihn durchzulassen. Die fröhliche Atmosphäre ist wie weggeblasen, als Ervys sich schließlich von Angesicht zu Angesicht mit Saldowr befindet.
»Ich höre, dass der Krake schläft«, sagt er schroff.
»Der Krake schläft«, bestätigt Saldowr, der ihn wachsam ansieht.
»Beanspruchst du den Sieg für dich, Saldowr?«
»Ich beanspruche nichts.«
»Wie ich sehe, hast du dich vom Krankenlager erhoben, um deine Retter willkommen zu heißen«, fährt Ervys mit ruhiger Stimme fort. »Das hätte ich an deiner Stelle auch getan, Saldowr. Sie haben viel für dich getan.«
Ich verstehe genau, was er vorhat. Er erzählt Saldowr – und all den anderen Mer –, dass Saldowr schwach und auf die Hilfe von Kindern angewiesen ist. Er will unseren Sieg über den Kraken zu seinem Sieg über Saldowr machen. Ohne mir genau bewusst zu sein, was ich tue, schwimme ich mit ein paar kräftigen Armzügen zu ihnen. Ervys wirft mir einen kalten, verächtlichen Blick zu.
»Wir befinden uns gerade in einem Gespräch«, sagt Saldowr zu mir. Seine Stimme klingt nicht verärgert, doch so entschieden, dass ich mich eigentlich auf keine Diskussion mit ihm einlassen sollte. Dennoch bin ich dazu gezwungen.
»Wir haben etwas vergessen, Saldowr. Die Wahl. Meinen Vater.«
Saldowr zieht seine Brauen zusammen. Sein Gesicht ist ernst, doch alles andere als abweisend.
»Wir haben uns entschieden, in die Tiefe vorzudringen und den Mer zu helfen«, rede ich unaufgefordert weiter. »Dann lasst jetzt auch meinen Vater eine freie Entscheidung treffen.«
Keiner spricht ein Wort. Sie müssen Dad
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