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Nixenfluch

Nixenfluch

Titel: Nixenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dunmore
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bei ihm und ballt die Fäuste. Saldowr fährt fort: »Er ist zwar nicht mein leiblicher Sohn, aber der Sohn, den ich auserwählt habe, Ervys, so wie es mein Recht ist.«
    Ervys’ brutale Worte gehen mir immer noch durch den Kopf. Der Junge, der kein reines Mer-Blut besitzt .
    Kleine Schwester , so hat Faro mich immer genannt. Vielleicht sind wir uns ähnlicher als er glaubt.
    Mach dir keine Sorgen, Faro , möchte ich ihm sagen. Es ist gar nicht so schlimm, halb und halb zu sein. Jedenfalls finde ich das. Die Mer sind manchmal so unflexibel. Sie wollen, dass das Leben nach einem bestimmten Schema abläuft. Und wenn du nicht in dieses Schema hineinpasst, dann verstoßen sie dich vielleicht. Nimm’s nicht so schwer, Faro. Saldowr hat dich seinen Sohn genannt. Das bedeutet doch etwas, oder? Ich versuche, Faro mit meinen Gedanken zu erreichen. Doch sobald mir das gelingt, werden sie von seinem Schmerz und seiner Verwirrung abgestoßen. Nach außen lässt sich Faro nichts anmerken. Ervys soll auf keinen Fall erfahren, wie sehr ihm seine Worte zusetzen.
    »Ja, mein Sohn«, wiederholt Saldowr erneut. »Der mein Erbe antreten soll, wenn es mich nicht mehr gibt. Aber freu dich nicht zu früh, Ervys. Ich werde noch viele Jahre da sein. Ich spreche von der Zeit, wie ich sie verstehe und wie Faro sie einst verstehen wird, nicht von der Zeit, wie du sie wahrnimmst. Zum Hüter des Gezeitenknotens und zum Weisen unter den Mer wird man nicht innerhalb dessen, was du als eine Lebensspanne begreifst. Du glaubst, du könntest mir meine Kraft nehmen, Ervys«, sagt Saldowr, dessen Stimme plötzlich kraftvoll und bedrohlich klingt. »Du willst mich beseitigen und meinen Platz einnehmen, aber mein Platz kann nicht durch Gewalt eingenommen werden. Versteh mich recht, Ervys. Ich habe mir nicht ausgesucht, was ich heute bin. Ich wurde erwählt. Und ich glaube, eines Tages wird Faro erwählt werden.«
    Faros Gesicht ist ernst und stolz, während er Saldowrs Worten lauscht, doch mich beunruhigen diese Worte. Meint Saldowr wirklich, dass Faro eines Tages so sein wird wie er? Dass er fähig sein wird, in die Vergangenheit und in die Zukunft zu blicken? Wenn das geschieht, dann wird er nicht mehr derselbe Faro sein. Zumindest nicht der Faro, den ich kenne. Ich kann mir Faro nicht so rätselhaft und weise wie Saldowr vorstellen, in einen langen Umhang gehüllt, allein in seiner Höhle wohnend und mit Saldowrs magischen Kräften ausgestattet. Dann könnte ich nicht mehr mit ihm befreundet sein, jedenfalls nicht so, wie ich es jetzt bin.
    Ich will nicht, dass aus Faro eines Tages ein Magier wird. Ich will, dass er so bleibt, wie er ist. Dass er mich weiterhin kleine Schwester nennt, mich aufzieht, ein wenig eitel und ungeheuer mutig ist, dass er die besten Wassersaltos macht, die ich je gesehen habe, und so tut, als wüsste er alles über das Leben auf der Erde, obwohl er in Wahrheit nur das weiß, was ihm die Möwen erzählen.
    Und ich bin nicht die Einzige, der Saldowrs Weissagung missfällt. Ervys scheint wie vom Donner gerührt. Aus seinen Augen blitzt die blanke Wut. »Dann werde ich eine weitere Versammlung einberufen und die Mer darüber aufklären, dass sie keinen Einfluss darauf haben, wer ihr Anführer sein wird«, sagt er.
    Ich erwarte, dass sich Saldowr heftig zur Wehr setzt, doch nichts dergleichen geschieht. Er stößt hingegen einen tiefen Seufzer aus und sieht Ervys betrübt an. »Kannst du denn niemals Ruhe geben, Ervys?«, fragt er. »Willst du deine Kraft niemals zum Wohl der Gemeinschaft einsetzen? Der Krake schläft. Unsere Kinder sind in Sicherheit. Diese Kinder haben den Mer alles gegeben, wonach ihr Herz verlangt hat.«
    »Für den Moment.«
    »Für den Moment. Lass es dabei bewenden. Was in Zukunft geschieht, wissen wir nicht, Ervys. Doch im Moment schläft der Krake.«
    Die Atmosphäre hat sich verändert. Die Mer-Gesichter, die uns umgeben, sehen unruhig und bedrückt aus. Die Euphorie des Sieges ist verflogen. Ervys weiß, wie man eine Stimmung verdirbt.
    In diesem Moment nehme ich hinter Saldowr eine Bewegung wahr. Ich erkenne den Mann wieder, der Ervys im Versammlungsraum herausgefordert hatte. Er bahnt sich seinen Weg nach vorn und nickt Saldowr im Vorbeischwimmen kurz zu.
    »Sei gegrüßt, Karrek«, sagt Saldowr.
    »Sei gegrüßt, Saldowr. Da es hier keinen Sprechstein gibt, muss ich so das Wort ergreifen und darauf hoffen, dass du mir meine Unhöflichkeit verzeihst.«
    »Alle dürfen sich hier freimütig äußern,

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