Nixenjagd
an. Seine Mutter und seine Schwester wiederum starrten Franziska an. Kein Wunder, ihr Benehmen musste ja ziemlich befremdlich wirken. Schließlich presste Franziska ein Hallo heraus und wandte sich abrupt ihrer Tante zu, die soeben den frei werdenden Tisch direkt neben der versammelten Familie Römer ansteuerte. »Ich möchte lieber drinnen sitzen«, wisperte Franziska und hielt ihre Tante am Arm fest.
»Drinnen?«, entgegnete Lydia viel zu laut. »Bei dem schönen Wetter? Hier ist doch Schatten.« »Bitte«, zischte sie und sah ihre Tante eindringlich an. Die kapierte endlich, dass Franziskas Wunsch tiefere Ursachen hatte, und betrat mit ihrer Nichte den Eissalon, in dem ein Deckenventilator träge die warme, stickige Luft umrührte. »Aber lass uns wenigstens in der Nähe der Tür sitzen«, bat Lydia. Franziska setzte sich so, dass sie ins Innere des Lokals schaute. Warum war er schon hier? Warum hatte er ihr nicht mitgeteilt, dass er früher nach Hause kommen würde? Franziska kam zu dem Schluss, dass sie die ganze Situation wohl falsch eingeschätzt hatte. Sie war für ihn nicht mehr als eine Klassenkameradin, mit der er aus purer Langeweile mal spazieren und ins Kino gegangen war. Niemand, den man über sein Kommen und Gehen informieren musste. Je eher sie sich damit abfand, desto besser. Der Besitzer des Cafés erschien mit dem üblichen Palaver. Franziska war sowohl die Lust auf Italo-Charme als auch auf Eis vergangen. Nur um Tante Lydia nicht zu enttäuschen, bestellte sie einen Amarena-Becher. »Bananen-Split und einen Campari-Soda, aber eiskalt«, orderte Lydia und fragte dann ihre Nichte: »Was stimmte denn nicht mit dem Tisch da draußen?« »Der Tisch war in Ordnung. Nur nicht die Nachbarschaft.« »Ah, ja«, sagte Lydia gedehnt. »Hübscher Junge. Geht er in deine Klasse?« »Ich würde jetzt gerne von was anderem reden, bitte.« »Teenager«, seufzte Lydia und lächelte wissend, während sich Franziska eisern zwang, sich nicht umzudrehen.
3 4
Das Telefon klingelte. Kommissar z. A. Daniel Rosenkranz meldete sich, lauschte ein paar Sekunden, dann hörte ihn Petra sagen: »Doch, die ist schon da. Seit ihr Kerl vor einem halben Jahr bei ihr ausgezogen ist, ist sie meistens morgens recht pünktlich...« Petra hechtete über den Schreibtisch auf ihn zu und wand ihm den Hörer aus der Hand. »Gerres.« »Volker Baumann. Guten Morgen.« »Schönen guten Morgen, Herr Kollege.« Ein Segen, dass ihr Gesprächspartner ihre hochroten Wangen nicht sehen konnte, dachte Petra. »Ich wollte fragen, ob ich zur Vernehmung von Paul Römer nach Hannover kommen soll.« »Nun, es ist so: Die Mutter von Paul hat verfügt, dass wir nur noch im Beisein eines Anwalts mit ihren Kindern reden dürfen. Ich weiß nicht, ob es Sinn macht, dass Sie nach Hannover kommen, nur um zu erleben, wie der Junge und seine Schwester kein Wort sagen und der Anwalt uns dumm dastehen lässt. Denn viel haben wir ja tatsächlich nicht in der Hand bis jetzt.« »Das ist wahr«, stimmte ihr Baumann betrübt zu. »Ich wollte es nur anbieten.« Für ein paar Sekunden herrschte Stille in der Leitung, dann sagte Petra: »In Ihren Akten gibt es eine Meike Willemsen, die sich als Solveigs Freundin bezeichnet hat. Ich würde mich gerne mal mit diesem Mädchen unterhalten.« »Gute Idee«, kam es voller Elan zurück. »Ich mache einen Termin mit Meike. Morgen Nachmittag?« »Einverstanden.« Eigentlich hatte Petra da frei. Aber was tut man nicht alles, um einen Mordfall aufzuklären, sagte sie sich. »Ich melde mich. Schönen Tag noch«, sagte Baumann.
»Ihnen auch. Bis morgen. « Sie legte auf . »Nun zu dir.« Petras Blick durchbohrte Daniel Rosenkranz, de r mit übergeschlagenem Bein in seinem Schreibtischstuhl wippt e und dabei von Ohr zu Ohr feixte . »Was denkst du dir dabei, mein Privatleben vor einem wildfremden Kollegen auszubreiten? « »Was gibt es denn da schon auszubreiten? « »Werde nicht frech!«, schnauzte Petra, die sich jedoch eingestehen musste, dass er recht hatte . »Außerdem ist Baumann nicht wildfremd«, fuhr Daniel fort . »Volker Baumann ist dreiundvierzig Jahre alt, seit zwei Jahre n Hauptkommissar, seit vier Jahren geschieden, er hat eine Tochter, achtzehn, die bei der Mutter in Berlin lebt. « »Du hast ihn gecheckt? Bist du noch ganz bei Trost? Wenn de r das mitkriegt...« Petra verspürte das Bedürfnis, Daniel a m Kragen seines Hawaii-Hemdes zu packen und zu schütteln . »Ich habe es nur gut gemeint. « »Das hat meine
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