Nixenjagd
Mutter auch immer gesagt«, schnaubte Petra . Das Telefon klingelte erneut. Petra schnappte sich den Hörer. E s war Udo Lamprecht, ihr Chef . »Wir haben einen Leichenfund in der Altstadt. Alter Mann, lieg t schon zehn Tage oder länger in der Wohnung. « Und das bei dem Wetter. Schlimmer ging es kaum . »Wer fährt hin?«, fragte Lamprecht . »Das macht Daniel«, verkündete Petra und lächelte ihrem jungen Kollegen katzenfreundlich zu. »Er steht schon in den Startlöchern. «
3 5
Das Thermometer zeigte dreißig Grad. Franziska lag unter dem Apfelbaum und las zur Abkühlung einen Krimi, der in Island spielte. Obwohl sie das Buch spannend fand, ertappte sie sich, wie sie einen Abschnitt schon zum dritten Mal las. Falls Paul anruft, schwor sie sich immer wieder, werde ich nicht rangehen. Wenn er eine Mail schreibt, werde ich sie nicht beantworten. Der soll ruhig sehen, dass er mit mir nicht alles machen kann. Paul Römer ist ab sofort Luft für mich. Dass sie ihr Mobiltelefon neben sich im Gras liegen hatte und sie fast stündlich ins Haus eilte und ihre E-Mails abrief, hatte nichts zu bedeuten. Ich will nur wissen, ob er sich überhaupt meldet, sagte sie sich. Er soll anrufen, damit ich den Anruf ignorieren kann. Bis vor wenigen Wochen hätte sie ein solch albernes Verhalten allenfalls Katrin zugetraut. Sie hasste sich selbst dafür, dass sie sich so kindisch aufführte. Das Handy klingelte. Ihre Hand fuhr neben den Liegestuhl. Das Display zeigte eine unbekannte Nummer aus dem Ortsnetz. Ihr Atem stockte. Paul? Man kann ja nicht wissen, ob er es ist, sagte sich Franziska nach dem zweiten Klingeln. Und wenn es tatsächlich Paul war, konnte sie immer noch auflegen. »Hallo?« Sie hatte Mühe, ihre Stimme ruhig klingen zu lassen. »Hier ist Paul.« Ihr Herz machte einen idiotischen Hüpfer. »Paul. Wie geht’s dir?« Verdammt, was war mit »Ich lege wieder auf, er ist Luft für mich«? »Ich bin wieder hier.« »Das habe ich gesehen.« »Stimmt. Die Eisdiele. Ich wollte es dir sagen, dass ich früher zurückkomme, aber ich war...ich war nicht gut drauf.«
»Macht doch nichts«, hörte sich Franziska zu ihrem Missfalle n sagen. Wo, zum Teufel, blieb ihre Selbstachtung ? »Ich musste früher zurück, weil mich die Polizei gestern noc h einmal verhört hat.« Sie spürte die Verunsicherung hinter seiner Sachlichkeit . »Oh«, sagte Franziska verdutzt. »Wie war es?« Vielleicht wollt e er ihr sein Herz ausschütten . »Hast du Lust auf einen Spaziergang? « »Ja, gerne – ich meine – von mir aus. « »Kannst du in einer Stunde am Waldparkplatz sein? « »Müsste klappen«, sagte Franziska. Dann schnellte sie aus de m Liegestuhl und rannte ins Bad .
3 6
Hauptkommissar Volker Baumann hatte seiner Kollegi n aus der Landeshauptstadt seinen Platz am tadellos aufgeräumten Schreibtisch überlassen. Er selbst saß etwas im Hintergrund, während Petra Gerres die Befragung durchführte . »Du warst Solveigs Klassenkameradin und ihre beste Freundin , stimmt das?«, begann Petra das Gespräch, nachdem sie sic h vorgestellt hatte . Meike Willemsen nickte . »Vermutlich habt ihr euch alles erzählt. « »Ja, so ziemlich. « »Was war Solveig für ein Mädchen? « »Sie war nett. « »Nett. Und sonst noch? « »Sie war gut in der Schule. Sie hat anderen immer geholfen. « »Wobei? «
»Wenn jemand was nicht kapiert hat, im Unterricht. « »Also keine eingebildete, egoistische Zicke«, schlussfolgert e Petra . »Nein, gar nicht. Im Gegenteil.« Meike schüttelte den Kopf. Si e war ein sehr dünnes Mädchen mit hennaroten Haaren und einer tätowierten Rose auf dem Schulterblatt. Ihre Augen ware n schwarz umrahmt und der Mund glänzte in Schweinchenrosa . »Wie kam sie mit den anderen klar? « »Gut. « »War sie für ihr Alter eher kindlich oder schon ziemlich reif? « »Sie war...«Die Sechzehnjährige sah ein wenig genervt zu r Decke, ». . . vernünftig. « »Wie war Solveigs Beziehung zu Paul Römer? « »Sie waren zusammen. « »Heißt das befreundet? « »Nein. Mehr als befreundet. Zusammen eben. « »Sie gingen miteinander. « Meike zuckte mit den Schultern. »Wenn Sie es so ausdrücke n wollen. « »Wie oft haben sie sich getroffen? « »Fast jeden Tag. Und halt in der Schule. « »Wie lange waren sie bis zu Solveigs Tod zusammen? « Meike runzelte die Stirn. »Ein halbes Jahr vielleicht. Ja, es fin g im Frühjahr an. Auf einer Klassenfahrt. « »Wie war diese Beziehung? « »Wie meinen Sie das?«, fragte Meike und
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