Nixenjagd
all den seltsamen Vorkommnissen wüssten.. . »Meine Hausarbeit ist weg. Morgen ist Abgabe und sie ist weg! « »Wie, weg? « »Die Datei. Das Parfum. Ich muss sie aus Versehen gelöscht haben. Und eine Diskette habe ich nicht«, fügte Franziska gleic h hinzu . »Wie viele Seiten waren das? « »Fünfzig. « »Hast du noch Notizen? Du bist doch immer mit dem Schreibblock im Garten herumgesessen... « »Das sind nur Stichpunkte. Ich krieg doch bis morgen kein e fünfzig Seiten mehr zusammen. « Frauke Saalberg überlegte. Dann fragte sie: »Hast du das Them a vorher festlegen müssen? « »Es gab drei Bücher zur Auswahl. Schuld und Sühne , Das Parfum und Der Besuch der alten Dame . « »Und du hast dich für Das Parfum eingetragen? « »Nicht eingetragen. Sie hat nur gefragt, wer was machen will . Ich weiß nicht, ob sie sich das notiert hat. Warum? «
»Wäre es – sagen wir mal – schlimm, wenn du dich anders entschieden hättest und nur vergessen hättest, das der guten Frau Holze-Stöcklein mitzuteilen?« Franziska überlegte. »Nein, ich glaube nicht. Es muss aber eines von diesen drei Büchern sein. Warum fragst du das?« »Ich habe da zufällig eine Hausarbeit von mir über Schuld und Sühne aus dem ersten oder zweiten Semester.« »Aber die hast du doch nicht auf dem PC, oder? Gab’s damals überhaupt schon PCs?« »Ja, aber ich hatte natürlich keinen. Die Arbeit habe ich noch schön sauber auf der Maschine geschrieben. Mein Gott, wie einfach das alles geworden ist«, schweifte ihre Mutter ab. »Was den Nachteil hat, dass sich heute jeder, der einen Computer hat, zum Schriftsteller berufen fühlt.« »Ich kann doch nicht die ganze Arbeit über Nacht abtippen«, kam Franziska wieder auf das Thema zurück. Aber auch dafür hatte Frauke Saalberg eine Lösung. »Wenn du aufhörst zu jammern, dann gehen wir jetzt in mein Arbeitszimmer und scannen das Seite für Seite ein. Los, komm.« Schon war sie unterwegs, während sie sagte: »Wir müssen natürlich ein bisschen was rausstreichen, die Arbeit ist über hundert Seiten lang. Zu wissenschaftlich darf es auch nicht sein, sonst riecht deine Lehrerin sofort Lunte. Aber das kriegen wir schon hin.« Franziska sah Licht am Ende des Tunnels und wagte ein Lächeln. Ihre Mutter hingegen schien geradezu begeistert zu sein, dass ihr geistiges Werk noch einmal zu späten Ehren kommen sollte. Sie sprühte vor Eifer, während sie mit einer kleinen Leiter die höheren Etagen ihrer Bücherwand erklomm. »Ist das nicht Betrug?«, gab Franziska zu bedenken. »Es ist ein Notfall, oder? Ah, da ist sie ja. Bisschen staubig.« »Du hättest mir das Ding auch gleich geben können«, meinte Franziska. »Dann hätte ich mir die viele Arbeit in den Ferie n sparen können. « » Das wäre nun wirklich Betrug gewesen«, versetzte ihre Mutte r und stieg von der Leiter. Eine Spinnwebe verunzierte ihr Haar . »Und wenn ich eine Vier dafür kriege? « »Dann werde ich der guten Frau aber was erzählen«, droht e Frauke Saalberg und ballte die Faust . Franziska umarmte ihre Mutter. »Danke, Mama! « »Ich bitte dich. Die Familie muss doch zusammenhalten. Lo s jetzt, an die Arbeit! « In Gedanken sagte Franziska zu dem Unbekannten: Siehst du ? Du kriegst mich nicht klein. Du nicht !
4 7
Franziska erschien todmüde in der Schule, aber mit siebzig Seiten Schuld und Sühne in der Tasche. Sie ließ die Mapp e nun nicht mehr aus den Augen, sogar in der Pause nahm sie si e mit nach draußen. »Es ist so genial, ich kann mich so schwe r davon trennen«, gab sie zur Antwort, als Silke eine dumme Bemerkung machte. Silke schüttelte nur den Kopf und deutete einen Vogel an. Kurzzeitig flammte ein Verdacht in Franzisk a auf. Doch, nein, Silke war schlicht zu dämlich für eine so raffinierte Einschüchterungs-Strategie . Paul war zur Schule gekommen und alle bemühten sich, sic h ihm gegenüber ganz normal zu verhalten. Sie waren so »normal«, dass es schon fast wieder groteske Züge annahm. Jede r lächelte ihm kumpelhaft zu, den Zeitungsartikel über ih n schien es nie gegeben zu haben, keiner erwähnte ihn auch nu r mit einem Wort .
»Servus, Alter«, begrüßte ihn Oliver. Nie vorher hatte er sich Paul gegenüber zu einer solchen Anrede hinreißen lassen. Dazu schlug er ihm plump-vertraulich auf die Schulter. Kurioserweise war es nun Franziska, die Paul aus dem Weg ging. Sie merkte, dass er das Gespräch mit ihr suchte, aber sie behandelte ihn mit einer so oberflächlichen, nichtssagenden
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