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Nixenmagier

Nixenmagier

Titel: Nixenmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Dunmore
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nie – wie groß die Versuchung auch sein mag.«
    Ich nicke. Mir ist zu schwindelig, um antworten zu können.
    »Du willst, dass alles wieder so wird wie vor anderthalb Jahren, aber die Seiten sind umgeblättert worden«, fährt Granny Carne fort. Ihre Stimme klingt jetzt streng. »Und man kann sie nicht zurückblättern, ohne sich selbst zu blenden. Setze deinen Weg fort, Sapphire. Gutes und Schlechtes steht dir bevor, doch wirst du ihm nicht begegnen können, indem du zurückblickst. Ich sehe die Ereignisse noch nicht deutlich vor mir, doch lese ich bereits von ihrer Kraft. Halte die Augen offen. Indigo ist mächtig geworden und dein Mer-Blut strebt ihm entgegen. Doch eines darfst du nicht
vergessen. Vergiss nie, dass du ebenso sehr von der Erde abstammst, solltest du ihr auch böse sein, so wie ein Mädchen auf seine Mutter böse ist, wenn es langsam unabhängiger wird. Du trägst sie in dir, mein Mädchen, die Gaben beider Seiten, und es gibt zwei Möglichkeiten, sie einzusetzen. Entweder reißen sie dich in zwei Teile, oder sie heilen das, was der Heilung bedarf. Harte Zeiten werden kommen. Unruhige Zeiten.«
    Für einen Moment sitzen wir schweigend da. Granny Carnes bernsteinfarbene Augen sind so weit geöffnet wie die einer jagenden Eule im Dunkeln. Sadie sieht aus wie eine Statue, und ich kann weder sprechen noch mich rühren. Dann ist der Zauber plötzlich gebrochen, und zurück bleiben eine alte Frau beim Teetrinken, ein Mädchen, das ein Brot mit Honig isst, und ein Hund, der nach draußen will.
    »Geh jetzt nach Hause«, sagt Granny Carne. »Und beeil dich, der Bus hält um zehn nach neun an der Ecke. Wenn du ihn verpasst, musst du zwei Stunden warten.«

    Doch ich gehe zielstrebig an der Bushaltestelle vorbei, weiter in Richtung Senara. In der Hoffnung, nicht erkannt zu werden, halte ich den Kopf gesenkt, doch natürlich werde ich erkannt. Zuerst hält das Auto des Postboten, der mich in einen kurzen Plausch verwickelt. Dann begegne ich Alice Trewhidden auf ihrem Weg zur Bushaltestelle, und schließlich tritt der Pfarrer in dem Moment auf die Straße, als ich an der Kirche vorbeigehe.
    »Wie geht es dir, Sapphire? Wie ist das Leben in St. Pirans?«
    »Wie geht’s deiner Mutter? Gefällt es ihr dort unten?«

    »Ach, Sapphire, wie schön, dich zu sehen! Wie geht’s dir? Und wie geht es deiner Mutter?«
    »Der geht’s gut.«
    Das Gesicht des Pfarrers lächelt, doch er blickt mich scharf an. Er senkt seine Stimme und wirkt plötzlich nicht mehr wie ein Pfarrer, sondern wie eine ganz normale Person. »Ich weiß, wie schwer das für dich ist.«
    Ich weiß nicht, was ich sagen soll. »Geht schon«, murmele ich. Das Problem ist, dass ich immer an Dads Trauerfeier denken muss, wenn ich den Pfarrer sehe. Doch ich will nicht mehr daran denken.
    »Sag deiner Mutter herzliche Grüße«, fügt er hinzu. Auch darauf fällt mir keine Entgegnung ein. Mum hat immer gerne mit dem Pfarrer gesprochen. Dad ist nie in die Kirche gegangen, doch Mum hat es hin und wieder alleine getan.
    Inzwischen wünschte ich doch, ich hätte den Bus genommen. Aber ich kann nicht nach St. Pirans zurückfahren, ohne zuvor unser Haus gesehen zu haben. Es spielt keine Rolle, ob die Leute, die jetzt dort wohnen, mich sehen oder nicht. Sie kennen mich ohnehin nicht. Als sie sich damals das Haus angesehen haben, war ich lange spazieren. Ich wollte sie nicht kennenlernen.
    Ich erreiche den Weg, der zu unserem Haus hinunterführt. Alles ist so vertraut und doch ein wenig anders. Sogar die Schnur, mit der das Tor am Pfosten befestigt wird, ist nicht mehr orange, sondern grün. Vor dem Haus parkt ein Jeep. Er sieht alt und staubig aus, scheint aber noch gut in Schuss zu sein. Dad hat sich immer einen Jeep gewünscht.
    Unsere Haustür steht offen. Radiomusik dringt in den Garten. Zu meiner Überraschung ist das Gemüsebeet gründlich umgegraben worden. Die Stachelbeersträucher wurden
beschnitten, die Rosen ebenso. Die Fensterrahmen sind frisch gestrichen.
    Die Vorhänge, die Mum angefertigt hat, wehen nicht mehr am Küchenfenster. Stattdessen hat jemand dort hübsche kornblumenblaue Vorhänge angebracht. Ich versuche, sie nicht zu mögen, doch sie gefallen mir.
    Sadie schnüffelt eifrig außerhalb des Tores. Ich gehe langsam, versuche aber nicht zu sehr zu trödeln, sondern wie jemand zu wirken, der gerade einen gemächlichen Spaziergang mit seinem Hund unternimmt. »Komm, Sadie!«, sage ich laut, um mir Gehör zu verschaffen. Doch Sadie ist

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