Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nixenmagier

Nixenmagier

Titel: Nixenmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Dunmore
Vom Netzwerk:
intelligent genug, um zu wissen, dass ich nicht wirklich weitergehen möchte.
    Ich sauge jedes Detail des Hauses auf. Es ist beinahe unverändert und wirkt doch ganz anders, weil wir nicht mehr darin wohnen. So muss es sein, wenn man stirbt und später als Geist an den Ort zurückkehrt, den man einst geliebt hat.
    »Kann ich dir helfen?«, fragt eine Stimme. Ich zucke heftig zusammen und spüre, wie mir die Röte ins Gesicht schießt.
    »Nein, danke, mein Hund ist nur gerade …«
    Eine Frau tritt aus der Haustür. Sie geht auf Krücken, handhabt sie aber so selbstverständlich, als habe sie viel Übung damit. Sie ist jünger als Mum, trägt einen langen roten Rock und einen Pullover. »Suchst du etwas?«, fragt sie. Ihre Augen blicken mich durchdringend an. Ahnt sie, wer ich bin?
    »Nein, nein, ich gehe nur mit meinem Hund spazieren … vielleicht zur Bucht hinunter.«
    Du Schwachkopf! Warum erwähnst du die Bucht? Vielleicht haben sie sie noch gar nicht entdeckt.

    »Die Bucht«, wiederholt die Frau. »Kennst du sie?«
    »Ja.«
    »Die würde ich auch gerne mal kennenlernen. Ich kann zwar die meisten Orte erreichen, aber die Felsen hinunterzuklettern ist mir doch zu gefährlich. Da müsste man mich schon in einen Korb setzen und an einer Winde hinunterlassen. Ich werde noch ziemlich lange auf diese Krücken angewiesen sein.«
    Sie lächelt – ein spontanes, warmherziges Lächeln, das ich einfach erwidern muss, auch wenn ich eigentlich keinen Grund habe, die Person zu mögen, die in unserem Haus wohnt.
    »Leben Sie hier allein?«, frage ich sie.
    »Nein, mein Mann arbeitet in Exeter am Met Office und kommt nur an den Wochenenden nach Hause.«
    »Ist das nicht sehr einsam für Sie?«, frage ich probehalber. Doch sie schüttelt den Kopf.
    »Alles eine Sache der Einstellung. Außerdem empfinde ich es nicht so. Die Nachbarn sind auch nett. Anfangs war ich allerdings gar nicht so sicher, ob ich hierherziehen wollte.«
    »Was ist das Met Office?«
    »Die befassen sich mit Meteorologie. Wettervorhersagen. Rob kümmert sich allerdings nicht um die kurzfristigen Vorhersagen. Er beschäftigt sich mit dem Klimawandel und der Rolle extremer Wetterphänomene.«
    »Er sieht also in die Zukunft?«, sage ich unwillkürlich.
    »Ja, in gewisser Weise tut er das. Interessiert dich der Klimawandel?«
    Ich denke an die Seepferdchen und Mondfische, die inzwischen bis nach Cornwall vorgedrungen sind, obwohl sie das früher nie getan haben. Ich denke an die Veränderungen,
von denen Faro gesprochen hat, und die Gefahren, die damit verbunden sind.
    »Ja, schon.«
    »Dann musst du dich unbedingt mal mit Rob unterhalten. Wohnst du hier in der Nähe?«
    »Ja … das heißt, nein, äh … nicht ganz in der Nähe.« Ich verhaspele mich, obwohl ich eigentlich ganz beiläufig antworten wollte. Plötzlich sieht sie mich genauer an. Ihr Gesichtsausdruck verändert sich. Sie scheint sich an irgendwas zu erinnern.
    »Jetzt weiß ich, wer du bist. Du bist das Mädchen mit den Haaren wie Seetang.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »So habe ich dich genannt. Rob nennt dich ›die kleine Meerfrau‹.«
    »Bitte?«
    »Entschuldige. Ich wollte dich nicht kränken. Jetzt habe ich alles kaputt gemacht, nicht wahr? Eigentlich wolltest du ja, dass ich nicht erfahre, wer du bist. Aber ich habe dich von dem Foto in der Anrichte wiedererkannt.«
    »Oh …«
    »Du weißt, welches ich meine.«
    Ich weiß es genau. Dad hat es vor zirka drei Jahren gemacht. Es ist ein Farbfoto. Ich trage ein meergrünes Kleid, das ich auf einer Silvesterparty anhatte. Meine Haare sind offen und sehr lang. Ich lächle nicht. Dad hat das Foto immer geliebt. Er sagt, ich sehe aus, als käme ich aus einer anderen Welt. Er hat das Foto in eine Kachel eingesetzt, die jetzt zur Anrichte gehört. Aber wir konnten die Anrichte nicht mit nach St. Pirans nehmen, weil sie fest mit der Wand verbunden ist.

    Ich blicke zu Boden. Ich komme mir so dumm vor. Sie denkt bestimmt, ich wollte sie ausspionieren. Doch ihre Stimme hört sich nicht verärgert an. »Es ist ein wunderschönes Foto«, sagt sie. »Du solltest stolz darauf sein. Rob sagt, du siehst aus, als kämst du aus einer anderen Welt.«
    »Wirklich? Das hat mein Dad auch immer gesagt.«
    »Hat er das Foto gemacht?«
    »Ja.«
    »Tut mir leid. Der Makler hat mir von dem … Unfall erzählt. «
    Sie hat es so vorsichtig ausgedrückt wie nur möglich. Dennoch balle ich unwillkürlich die Fäuste und bohre die Fingernägel in meine Handflächen.
    »Ich

Weitere Kostenlose Bücher