Nixenmagier
von mir ab. Für einen Moment habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich die Stimmung verdorben habe. Doch Rainbow nimmt sich ein Handtuch und beginnt, Mals lange Surferhaare trocken zu rubbeln, indem sie ihn damit aufzieht, dass er sicherlich seinen Föhn vermisst, und plötzlich ist die Stimmung wieder genauso entspannt wie zuvor. Ich reiche Mal mit versöhnlicher Miene den Teller mit den Schokoladenkeksen, doch leider wackelt er so stark, dass ihm vier Kekse in den Schoß fallen.
»Du zitterst ja schon wieder«, sagt er überrascht, indem er die Kekse aufhebt.
»Die Kälte muss sie völlig durchdrungen haben«, sagt Roger, der meine Hand nimmt und zu reiben beginnt. »Die ist ja eiskalt. Warst du nicht eben in der heißen Badewanne?«
»Aber mir ist nicht kalt.«
Alle blicken mich besorgt an. Rainbow holt von oben eine Bettdecke und legt sie mir um die Schultern.
»Du brauchst ein bisschen mehr Fleisch auf den Rippen«, sagt Mals Vater. »Hier, nimm noch einen Schokoladenkeks.«
Dann wendet sich das Gespräch wieder dem Meer zu. Wie kommt es, dass zurzeit so viele Delfine stranden, mehr als je zuvor? Geraten sie in die Schleppnetze der Trawler? Werden sie krank? Wird ihr Echolot durch militärische Sonarsysteme gestört?
Mals Vater gibt den Trawlern die Schuld daran. Patrick glaubt, dass es noch eine andere Ursache gibt, von der wir nichts wissen.
»Es bricht einem das Herz, ein so wundervolles Tier am Strand verenden zu sehen«, sagt Mals Vater.
Ich wünschte, Faro könnte das hören. Für ihn gibt es nur schwarz und weiß. Er glaubt, den Menschen sei Indigo völlig egal, weil es ihnen nur um Macht und Geld und mehr Platz zum Leben ginge. Faros Meinung nach gehen von Menschen nur Verschmutzung, Gefahr und Zerstörung aus.
Doch alle Leute, die sich hier versammelt haben, sind Menschen. Sie wissen nichts von Indigo, und doch haben sie darum gekämpft, den Delfin zu retten. Sie haben ihr Leben riskiert. Wenn ich Faro das nächste Mal treffe, werde ich ihm davon erzählen.
»Wir sollten jetzt nach Hause gehen«, sagt Roger schließlich und steht auf. »Eure Mum wird bald mit der Arbeit fertig sein.«
Es fällt schwer, die Wärme und Gemeinschaft zu verlassen. Rainbow und Patrick haben es wirklich gut. Sie haben ein Haus ganz für sich, und wenn sie morgens aufwachen,
können sie tun und lassen, was ihnen gefällt. Ich frage mich, wie lange ihre Eltern verreist sein werden.
»Wann kommen eure Eltern eigentlich zurück?«, fragt Mals Vater, als hätte er meine Gedanken gelesen.
»In ein paar Wochen«, antwortet Patrick leichthin.
»Ihr zwei scheint ja ziemlich gut klarzukommen«, sagt Mals Dad anerkennend. Er findet, dass die meisten Kinder heutzutage viel zu sehr verwöhnt werden – sie studieren alle, wollen in die Medienbranche und liegen ihren Eltern auf der Tasche, obwohl sie längst ihr eigenes Geld verdienen sollten. Patrick hat einen Fulltime-Job im Surfshop. Doch Conor hat mir erzählt, dass Mal Arzt werden will, was ein jahrelanges Studium erfordert. Warum nur akzeptieren Eltern ihre Kinder nie so, wie sie sind? Ich glaube, meine Mutter wäre im siebten Himmel, wenn ich ihr erzählen würde, dass ich Ärztin werden will. Sie hat Conor und mir stets gesagt, dass es nicht am Geld scheitern soll, wenn wir einen Beruf ergreifen wollen, der eine lange Ausbildung voraussetzt.
»Ihr wisst, dass wir nicht viel Geld haben, aber ich würde alle Hebel in Bewegung setzen, damit ihr eure Pläne verwirklichen könnt. Ich kann auch jederzeit einen zweiten Job annehmen.« Wenn Mum dies sagt, wirkt sie so wild entschlossen, dass ich wünschte, mein Ehrgeiz wäre groß genug, um sie zufriedenzustellen.
Wir verlassen das Haus von Rainbow und Patrick und gehen die regennasse Straße hinunter.
»Schauen wir mal, ob Jennie schon zurück ist. Wenn nicht, gehe ich zum Restaurant und hole den Schlüssel«, sagt Roger.
Hinter den vorgezogenen Vorhängen brennt Licht. Mum macht sich vielleicht gerade eine Tasse Tee. Sie entspannt sich vor dem Schlafengehen noch gerne eine halbe Stunde vor dem Fernseher, den sie so leise stellt, dass wir davon nicht aufwachen. Sie glaubt, dass Conor und ich in unseren Betten liegen und schlafen, doch in wenigen Sekunden werden wir in der Haustür erscheinen. Sie wird davon bestimmt nicht begeistert sein. Roger zögert. »Natürlich müssen wir eurer Mutter bis zu einem gewissen Grad die Wahrheit erzählen, aber es besteht kein Grund, sie unnötig zu beunruhigen«, sagt er.
»Wir
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