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Nixenmagier

Nixenmagier

Titel: Nixenmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Dunmore
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da noch hinzukommen? «
    »Eine Sache von größter Dringlichkeit. Damit verglichen, wird alles, was ihr im Spiegel gesehen habt, die Kraft verlieren, euch zu verletzen. Irgendwann müssen wir alle sterben und unsere Freuden und Sorgen mit ins Grab nehmen.« Saldowr zuckt die Schultern. »Unsere persönlichen Sorgen sind nicht so wichtig, wie wir denken. Wir sind nicht so wichtig, wie wir denken.«
    »Das habe ich verstanden«, sagt Conor. Seine Stimme ist so schneidend, wie ich sie noch nie gehört habe. »Ihr Spiegel
hat mich gelehrt, dass ich meinem Vater viel weniger bedeute, als ich dachte.«
    »Wir werden später miteinander reden. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt dazu«, entgegnet Saldowr. »Ruht euch aus. Sprecht miteinander.«
    Sein Umhang umfließt ihn, als er zu seiner Höhle zurückschwimmt.

    Schweigend sitzen wir Seite an Seite. Es tröstet mich, Conor so nah zu sein. Wir wissen, was wir empfinden. Ich habe die verzweifelte Hoffnung, dass Conor irgendeinen Plan hat. Er brütet vor sich hin, die Fäuste geballt, den Kopf gesenkt. Schließlich sagt er: »Ich vermute, du hast dasselbe gesehen wie ich.«
    »Ja.«
    »Was sind wir doch für Idioten. Wagen uns nach Indigo, weil wir uns einreden, dass Dad uns braucht. Bilden uns ein, eine waghalsige Rettungsaktion in Gang zu setzen. Dad hätte sich bestimmt totgelacht.« Seine Stimme klingt so verbittert, dass ich lautstark protestiere: »Nein, Conor! Dad ist nicht so. Er braucht uns wirklich. Er hat mich aufgesucht, weil er unglücklich ist. Er will immer noch zu uns, das weiß ich ganz genau.«
    »Aber er will es nicht genug. Er will vor allem sie . Und das … das …«
    »Das Baby.«
    »Das Mer-Baby !«
    »Er ist unser Bruder, Con.«
    »Er ist nicht mein Bruder. Er gehört zu ihnen , Saph. Denk nur an die Schwanzflosse.«
    »Meinetwegen, also unser Halbbruder.«

    Conor zuckt zornig die Schultern. »Ich will ja nicht alles noch schlimmer machen, aber eines dürfen wir auch nicht vergessen: Er ist Elviras und Faros Cousin.« Conors Augen blitzen vor Wut. »Und sie haben kein Wort zu uns gesagt, nicht eine Silbe!«
    »Vielleicht … vielleicht wollten sie, konnten es aber nicht. Vielleicht hat Saldowr es ihnen verboten.«
    »Elvira hat es nicht einmal versucht.«
    »Aber könnte das nicht der Grund sein, warum sie letztes Jahr überhaupt zu uns kamen? Weil wir durch unser Blut miteinander verbunden sind? Faro hat uns schon zweimal das Leben gerettet, Conor. Er hat dich letzten Sommer gerettet, als die Wächterrobben Roger angegriffen haben. Und gerade hat er dich zu Saldowr in Sicherheit gebracht. Er hat sogar sein Leben riskiert, um mich zu finden. Warum sollte er das alles tun, wenn er sich nicht irgendwie … mit uns verbunden fühlte?«
    Conor stützt den Kopf in seine Hände. »Ich will nicht mehr an Faro und Elvira denken. Das ist einfach zu viel für mich, Saph.«
    Doch ich werde den Gedanken an das Baby nicht los. An seinen weichen Haarflaum und die pummeligen kleinen Fäuste, die im Schlaf neben seinem Kopf lagen. An seine Schwanzflosse. Das war kein schockierender Anblick. Sie war ein selbstverständlicher Teil von ihm. Es wäre viel merkwürdiger gewesen, hätte es keine Schwanzflosse gehabt. Als wäre er gespalten gewesen, mein Babybruder, dabei kenne ich nicht einmal seinen Namen.
    »Ich denke auch an Mum«, fährt Conor fort und blickt auf. »Wie würde sie sich fühlen, wenn sie es erfährt?«
    Ich bin erschrocken über mich selbst. An Mum habe ich
gar nicht gedacht. Wie konnte ich nur so egozentrisch sein? Doch wenn ich in Indigo bin, kommt sie mir so unwirklich vor – wie ein eingefrorenes Bild, das sich weder bewegen noch sprechen kann, solange ich von zu Hause fort bin.
    »Ja, Mum …«, wiederhole ich kläglich und versuche, den Eindruck zu erwecken, dass ich auch gerade an sie gedacht habe.
    »Das wird schrecklich für sie sein!«, sagt Conor mit größter Überzeugung. Mit wird klar, dass sie für Conor nicht wie ein eingefrorenes Bild, sondern so real ist, als stünde sie direkt neben uns.
    »Aber muss sie es denn unbedingt erfahren?«
    »Das kann doch nicht dein Ernst sein, Saph! Natürlich muss Mum erfahren, was passiert ist. Dad hat sie ja nicht nur verlassen, sondern auch nach Strich und Faden betrogen. Sie verdient es, die Wahrheit zu wissen.«
    »Mum hat doch Roger.«
    »Mum hätte Roger keines Blickes gewürdigt, wenn Dad nicht verschwunden wäre.«
    Ich erwidere nichts. Ich weiß, dass Conor in gewisser Weise recht hat.

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