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Nixenmagier

Nixenmagier

Titel: Nixenmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Dunmore
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Deine Augen können sie nicht erkennen, doch ich beobachte den Gezeitenknoten schon seit meiner Kindheit und habe bemerkt, dass er sich verändert hat.«
    Ich zucke zusammen. »Die Gezeiten sind zu allem in der Lage.«
    Saldowr schaut mich an. »Du spürst es auch, spürst ihre Kraft?«
    »Ja.«
    »Die Gezeiten wollen sich befreien. Wie ich schon sagte, gibt es in Indigo – sogar unter den Mer – einige, die es begrüßen würden, wenn die Gezeiten sich verselbstständigten. Sie würden sich darüber freuen, wenn eure Welt in den Fluten versänke.«
    »Warum wollen Sie das nicht?«, fragt Conor kühn. »Uns wurde so viel darüber erzählt, wie viel Schaden die Menschen Indigo zufügen. Warum wollen Sie uns beschützen? «
    »Meine Zuneigung zu den Menschen hält sich in Grenzen«, entgegnet Saldowr. »Bis jetzt hatte ich nur wenig Anlass, ihnen wohlgesinnt zu sein. Doch wenn die Gezeiten erst mal entfesselt sind, wer wird sie dann wieder bändigen?
Ich sage euch, dass sie genug Kraft haben, um auch die Mer zu vernichten. Genug, um unsere Welt in Stücke zu reißen. Es kommt darauf an, die Balance zu wahren. Zu dieser Einsicht bin ich als Hüter des Knotens gelangt. Natürlich kann man auch zu anderen Einsichten gelangen«, fügt er hinzu. »Ihr müsst eure eigenen Schlüsse ziehen.«

    Ich höre seine Worte wie in Trance. Der Gezeitenknoten hat mich gebannt. Wenn ich nur lange genug hinschaue, werde ich herausbekommen, wo die Muster beginnen und wo sie aufhören. Saldowr sagt, der Knoten löse sich. Zeig es mir , sage ich stumm, zeig es mir.
    Die Stränge winden sich wie Schlangen und beginnen zu zucken. Das bläuliche Licht verstärkt sich und erleuchtet die blanken Seiten der Öffnung. Wie weit mag sie nach unten reichen? Wie tief ist der Gezeitenknoten? Er ist blau wie ein Saphir, so blau …
    Ich trete einen Schritt vor. Der pulsierende Knoten strotzt vor Leben und Energie und ist viel größer, als ich angenommen habe. Durch die Öffnung ist nur ein kleiner Ausschnitt des Knotens zu sehen. Er muss bis weit hinunterreichen, weiter als der Stein vermuten lässt, bis in die Tiefen des Ozeans. Ich sehe nur einen winzigen Teil seines riesigen Musters, doch wenn ich noch näher trete, werde ich mehr erkennen …
    Saldowr zieht mich zurück. »Vorsicht, mein Kind! Der Mund schließt sich wieder.«
    Er hat recht. Sehr langsam, hypnotisch langsam, beginnt sich die Öffnung des Steins zu schließen. Je weiter die beiden Seiten sich zusammenschieben, desto heller wird das Licht. Ein letztes Mal sehen wir es kurz aufflackern, ehe
Saldowr den mächtigen Schlussstein nimmt und zurück an seinen Platz wuchtet.
    Meine Arme schmerzen. Ich sehe noch den Abdruck von Saldowrs Hand, die mich zurückriss, ehe der offene Mund der Gezeiten mich verschlingen konnte.

Dreizehntes Kapitel

    I hr müsst jetzt aufbrechen«, sagt Saldowr. Saldowr und ich haben uns vom verschlossenen Mund der Gezeiten entfernt, doch Conor kann sich nicht losreißen. Der Sand wirbelte gewaltig auf, als Saldowr den Schlussstein an seinen Platz setzte. Doch jetzt ist das Wasser wieder klar und Conor mustert den Stein aus unmittelbarer Nähe. Nicht einmal eine feine Naht ist dort zu erkennen, wo der Stein sich geöffnet hat. Kaum vorstellbar, dass sich in seinem Inneren immer noch der Gezeitenknoten befindet.
    Ich will ihn wiedersehen, auch wenn er mir Angst macht. All die Kraft und Energie – genug, um Tausende von Städten zu erleuchten –, die von ihm ausgeht. Vielleicht wird Saldowr den Schlussstein ein weiteres Mal entfernen, wenn wir ein wenig warten.
    »Ihr müsst Indigo jetzt verlassen«, wiederholt Saldowr eindringlich. »Ein Sturm zieht auf.«
    »Aber wir können Indigo noch nicht verlassen. Wir müssen auf Faro warten. Conor ist auf ihn angewiesen. Hier unten in den Wäldern von Aleph kommt er allein zurecht, doch außerhalb bekommt er nicht genug Sauerstoff, wenn er auf sich allein gestellt ist.«
    Saldowrs Miene bleibt unverändert. Anscheinend ist ihm nicht bewusst, wie gefährdet Conor in Indigo ohne fremde Hilfe ist.

    »Dann werden seine Lippen blau und er kann nicht mehr schwimmen. Eigentlich ist das merkwürdig, denn Conor ist viel stärker und widerstandsfähiger als ich, wenn wir an der Luft sind. Eine Zeit lang kann auch ich ihm helfen, doch meine Kräfte in Indigo reichen nicht aus. Es sei denn … es sei denn, sie sind inzwischen gewachsen«, füge ich zweifelnd hinzu. Saldowr schüttelt den Kopf.
    »Du bist noch nicht stark genug,

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