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Nixenmagier

Nixenmagier

Titel: Nixenmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Dunmore
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ihm näher. Wenn jetzt jemand auf den Felsen stünde und Conor und mich auf den Rücken der Delfine sähe, er würde seinen Augen nicht trauen. Und selbst wenn – es würde ihm niemand Glauben schenken. Kann man allen Ernstes einem Freund erzählen, man habe einen Jungen und ein Mädchen auf Delfinen reiten sehen, weit draußen auf dem Meer?
    Gleich werden sich die Delfine der Küste zuwenden und mit Höchstgeschwindigkeit davonschießen, unmittelbar unter der Wasseroberfläche. Sie werden uns zum Strand bringen, und wir werden tropfnass an Land taumeln, während uns der eisige Wind ins Gesicht schlägt.
    Erst jetzt spüren wir, wie aufgewühlt die See ist. Die Sonne ist verschwunden und die Farbe des Wassers hat sich von Blau in Bleigrau verwandelt. Der Schaum wird von den Wellenkämmen geblasen. Saldowr hat recht gehabt – ein Sturm zieht auf. Der Himmel verdüstert sich. Die Wolken am Horizont sehen aus wie eine Ansammlung von Blutergüssen.

    Wir sind fast am Ziel. In wenigen Minuten werden uns die Delfine verlassen. Indigo wird sich vor uns verschließen, so wie sich der Stein vor dem Gezeitenknoten geschlossen hat.

Vierzehntes Kapitel

    C onor, Sapphy, um Himmels willen! Wie seht ihr denn aus?«
    Ich rechne jeden Moment damit, dass Mum aufspringt und mich an den Schultern packt, doch stattdessen steht sie langsam – sehr langsam – von ihrem Stuhl auf, der vor dem Kamin steht. »Ihr seid ja völlig durchnässt. Lasst mich eure Hände fühlen. Die sind ja eiskalt! Sapphy, deine Kleider … ist das etwa Blut an deinem Arm? Und Conor, du hast ja überall blaue Flecken!«
    »Das ist kein Blut, Mum, das ist nur … ein kleiner Kratzer. «
    »Was ist hier los?«, ruft Mum erregt. »Habt ihr einen Unfall gehabt? Ihr wart im Meer, nicht wahr?«
    Ich habe Mum nicht mehr so außer sich vor Angst erlebt, seit wir nach St. Pirans gezogen sind.
    »Beruhige dich, Mum«, sagt Conor. »Es ist doch gar nichts passiert. Wir waren bei Pedn Enys und haben zwei Delfine beobachtet, die ganz nahe an die Küste geschwommen waren. Saph ist ausgerutscht und ich bin ihr zu Hilfe gekommen, das ist alles.«
    »Ihr hättet ertrinken können! Ihr hättet aufs Meer hinausgezogen werden können! Diese Felsen sind so gefährlich bei rauer See.«
    »Wir konnten gar nicht hinausgezogen werden, Mum!«,
entgegnet Conor geduldig. Im Gegensatz zu mir gerät er nie mit Mum in Streit. »Wir sind nur in das flache Wasser gefallen, das sich zwischen den Steinen angesammelt hatte. Niemand hätte darin ertrinken können.«
    Ich hocke mich vor das Feuer und strecke meine Hände aus, um sie zu wärmen. Wir sind den ganzen Weg nach Hause gelaufen, mit nassen Kleidern und allem. Alles, was Conor Mum erzählt hat, ist wahr. Kein Wort ist gelogen. Wir waren nur einen Tag fort, so wie wir es Mum versprochen hatten.
    Aus der Zeit in Indigo werde ich einfach nicht schlau. Ihr Verhältnis zu unserer Zeit scheint sich ständig zu ändern. Das ist nicht wie eine mathematische Gleichung: x Stunden in Indigo = y Stunden an Land. Die Zeit in Indigo scheint genauso unergründlich wie das Wasser zu sein.
    Die Delfine waren einfach unglaublich. Sie brachten uns direkt nach Pen Tyr, wo wir durch eine Felsnase geschützt waren, die den Wellen, die aus südwestlicher Richtung heranrollen, die Kraft nimmt. Die Delfine schwammen so dicht ans Ufer heran, dass ich schon befürchtete, sie könnten stranden, doch wussten sie ganz genau, wie weit sie sich vorwagen durften.
    Das Wasser bei Pen Tyr ist sehr tief, und die Felsen ragen steil auf, doch findet man mit Händen und Füßen genug Halt, um hinaufklettern zu können. Delfine sind so intelligent. Sie müssen ihr Gedächtnis nach einem Ort abgesucht haben, der die perfekte Mischung aus geschütztem Ufer, tiefem Wasser und zugänglichen Felsen bot.
    Delfinen scheint alles leichtzufallen. Wir mussten nur kurz schwimmen und konnten dann die Felsen hinaufklettern. Sogar an diesem geschützten Ort war die See ziemlich
rau, doch Conor und ich sind es gewohnt, vom Wasser aus direkt auf die Felsen zu gelangen. Man muss eine Zeit lang im Wasser strampeln, bis man von einer Welle so nah an die Felsen herangetragen wird, dass man einen Stein zu fassen bekommt, an dem man sich hochziehen kann.
    Dabei haben wir uns allerdings einige blaue Flecke geholt und ich habe mir an ein paar Muschelschalen den Arm aufgeritzt. Es hat ziemlich geblutet, ist aber halb so schlimm. Unsere trockenen Ersatzkleider konnten wir nicht anziehen, weil die

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