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Nixenmagier

Nixenmagier

Titel: Nixenmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Dunmore
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heraustragen, ehe der Sturm losbricht.«
    Es sind junge, männliche Delfine. Sie schwimmen an unsere Seite, damit wir auf ihre Rücken klettern können. Ich erinnere mich daran, was Faro mir letzten Sommer gesagt hat. Ich muss mit ihnen reiten, nicht auf ihnen.
    Ich sitze auf dem Rücken des Delfins und beuge mich
weit nach vorne, passe meinen Körper seiner Gestalt an. Ich schlinge meine Arme um ihn und schmiege mein Gesicht an seine Haut. Spüre seine Energie. Er kann es kaum erwarten, wieder durch das Wasser zu fliegen. Conor und sein Delfin setzen sich schon in Bewegung. Conor dreht sich zu mir um, sein Gesicht glüht vor Aufregung. »Ist das wirklich wahr, Saph?«
    »Ja, es ist aufregend.«
    Mit einem lässigen Schlag seiner Schwanzflosse beschleunigt Conors Delfin das Tempo und deutet an, zu was für einer Geschwindigkeit er in der Lage sein wird, wenn er erst richtig loslegt. Plötzlich springt er nach vorne, macht einen perfekten Salto und taucht neben mir aus dem sprudelnden Wasser. Der Delfin und Conor lachen.
    »Ich versteh nicht, dass du nicht runtergefallen bist, Con!«
    Doch Conor ist schon wieder verschwunden, weil der Delfin ein neues Spiel mit ihm spielt. Ein ums andere Mal schießen sie mit Höchstgeschwindigkeit durchs Wasser und machen dann eine Vollbremsung, sodass es um sie herum schäumt und brodelt. Danach gleiten sie in großen Kurven dahin, zeichnen eine Acht ins Wasser, drehen sich so anmutig im Kreis und um die eigene Achse, dass jeder Eiskunstläufer vor Neid erblassen würde. Mir wird vom Zuschauen ganz schwindelig. Ich kann den Delfin und Conor kaum noch voneinander unterscheiden.
    »Bist du bereit, kleine Schwester?«, fragt mein Delfin sanft.
    »Ja.«
    Ich schließe die Augen. Ich weiß, dass wir das Territorium der Haie durchqueren müssen, doch lege ich keinen Wert darauf, sie jemals wiederzusehen.

    »Hab keine Angst, mein Kind«, sagt Saldowr. »Mach die Augen auf und schau mich an.« Widerwillig öffne ich meine Augen. Saldowr sieht mich fragend an. »Du bist ein merkwürdiges Kind. In der Tiefe hast du überlebt, obwohl das eigentlich unmöglich ist. Wenn du Angst haben solltest, dann hast du keine, doch wenn es keinen Grund zur Angst gibt, gerätst du in Panik. Ich habe dir doch gesagt, dass dir die Haie nichts tun werden?«
    »Ich weiß, aber …«
    »Fass dir ein Herz! Mit jedem Mal wird dein Mut größer werden. Dies ist nur der Anfang.«
    »Der Anfang wovon?«
    »Von der Zeit, in der du all deinen Mut brauchen wirst.«
    Saldowr ist doch älter, als ich gedacht habe. Sein Gesicht ist straff und glatt, doch seine Augen sehen so aus, als lebte er schon seit Jahrtausenden und hätte mehr gesehen, als ich mir jemals vorstellen könnte. Conor hat recht – Saldowr ist wie Granny Carne, obwohl er andererseits ihr komplettes Gegenteil verkörpert. Ihre Weisheit gehört zur Luft und zur Erde, seine Weisheit gehört zu Indigo. Doch teilen sie eine Eigenschaft, die bedeutsamer ist als alle Unterschiede. Ich weiß nicht genau, was es ist, doch ich spüre es. Macht ist nicht das richtige Wort. Granny Carne und Saldowr sind wie Magneten, die alles anziehen. Menschen und Tiere und Wissen.
    Vielleicht ist Saldowr wirklich schon seit Tausenden von Jahren am Leben. Vielleicht kann er in die Vergangenheit und in die Zukunft blicken, wie Granny Carne. Ich schaudere. Es muss eine Bürde sein, so viel zu wissen.
    Saldowr ist eine beeindruckende Erscheinung, wie er so durchs Wasser pflügt, die Hand zum Abschiedsgruß hebend, während sein Umhang sich um ihn bauscht. Doch vielleicht
fühlt er sich auch allein. Er weiß so viel mehr als jeder andere, und dieses Wissen muss ihn einsam machen, denke ich – so wie ein Umhang aus Eis.
    Jeder, der einen Rat sucht, geht zu Granny Carne. Und doch ist sie allein, weil sie ein Leben führt wie niemand sonst. Wie sollte das auch anders sein, wenn sie wirklich schon Hunderte oder gar Tausende von Jahren auf dem Buckel hat.
    »Vergiss nicht, dass du beschützt wirst, mein Kind«, sagt Saldowr. »Die Haie werden dir nichts anhaben. Wenn du daran denkst, werden auch die Haie daran denken. Du darfst keine Schwäche zeigen.«
    Er ist sehr ernst. Mir wird klar, dass Saldowrs Schutz nicht wie ein Zaubertrick funktioniert. Wir müssen unseren eigenen Beitrag leisten, damit er wirksam wird.
    »Ich weiß«, erwidere ich. Doch kann ich nichts dagegen tun, dass mir bei dem Gedanken an die kaltblütigen Augen der Haie, die über Conor und mich hinweggleiten, schon

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