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Nixenmagier

Nixenmagier

Titel: Nixenmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Dunmore
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«
    Ich bin ziemlich erleichtert. Wenn ein Erdbeben alles ist, wovor Mum Angst hat, dann darf ich ganz entspannt sein.
    »Du weißt doch, dass Hunde und Katzen aus den Häusern laufen, wenn ein Erdbeben bevorsteht, doch niemand versteht, wie sie das spüren können. Es liegt was in der Luft und Sadie spürt das. Etwas … etwas Bedrohliches, Ominöses … und ich spüre es auch.«
    »Was heißt ominös?«
    »Ach, Sapphy, du kennst doch mehr Fremdwörter als ich. Du weißt, was ein Omen ist: ein Zeichen, eine Warnung. «
    Ich öffne die Badezimmertür. Ich habe keine Lust mehr, über eingebildete Erdbeben, Zeichen oder Warnungen zu reden. Was tatsächlich passiert, ist rätselhaft genug. »Du solltest ins Bett gehen, Mum. Wahrscheinlich ist es ganz normal, sich etwas einzubilden, wenn man so hohes Fieber hat.«
    »Das sind keine Fieberfantasien!«, sagt Mum mit verschränkten Armen. »Ich dachte, du würdest mich verstehen, Sapphy.« Sie starrt mich an, ihre Augen sind sehr hell und glasig, ihr Gesicht voller Sorgen. Es geht ihr nicht gut. Für einen Moment habe ich das Gefühl, als sei ich die Mutter und sie die Tochter. Conor würde sie jetzt einfach in den Arm nehmen, doch so kalt und nass wie ich bin, wäre das vermutlich keine gute Idee.
    »Warum setzt du dich nicht zu Conor ans Feuer, wenn du nicht ins Bett gehen willst?«, schlage ich vor. »Du solltest
dich ausruhen. Wenn ich geduscht habe, mache ich dir einen Tee.«
    »Ich mag das Geräusch des Windes nicht«, sagt Mum plötzlich. »Hör nur, wie es heult und pfeift, wenn er über das Dach streicht. Und die Wellen schlagen frontal gegen die Kaimauer.«
    »Das ist eben so, wenn es … stürmt, oder?«
    »Der Wind wird immer stärker. Mir gefällt das nicht. Ich wünschte, Roger wäre nicht rausgegangen.«
    »Der kommt sicher gleich zurück. Wir kümmern uns schon um dich, Mum«, sage ich so sanft, wie ich nur kann. Als ich in Indigo war, konnte ich mich kaum daran erinnern, wie lieb ich sie habe. Wie konnte ich das nur vergessen? Doch jetzt ist sie keine ferne Erinnerung mehr, sondern meine Mum.
    »Es ist doch nur ein Sturm. Er wird vorübergehen«, versuche ich sie zu beruhigen.
    »Ich weiß«, entgegnet sie. »Ich weiß das alles.« Sie hält inne, als liege ihr noch etwas auf der Zunge, das sie nicht aussprechen will.
    »Was ist es dann? Was ist los mit dir, Mum?«
    »Ach nichts, Sapphy. Mach dir keine Sorgen wegen meines albernen Verhaltens. Es ist nur … ich mag das Geräusch des Winds eben nicht.«

    Als Roger mit Sadie zurückkommt, ist es schon dunkel. Aus Spaß sagt er, sie hätte sich die Pfoten wund gelaufen und werde sich jetzt hoffentlich beruhigen. Doch weit gefehlt. Sadie springt mich an, als hätte sie mich seit Jahren nicht gesehen, zittert vor Aufregung, legt dann den Kopf zurück und beginnt, so laut zu bellen, dass es weithin zu hören sein müsste. Mum hält sich die Ohren zu.

    »Versuch, sie zu beruhigen, Sapphy«, sagt Roger.
    »Schluss jetzt, Sadie! Was ist denn los mit dir?« Ich nehme sie fest in den Arm, doch sie drückt sich an meine Schulter und bellt so laut weiter, dass mir die Ohren wehtun.
    »Sadie, Schluss! Oder wir müssen dich in den Hof sperren und das magst du gar nicht. Mum ist krank.«
    Sadie hört auf zu bellen und schaut mich vorwurfsvoll an. Ich kann die Gedanken in ihren sanften braunen Augen lesen: Verstehst du denn nicht, dass ich dir etwas mitteilen will? Du gehst ohne mich weg, und ich weiß nicht, was du tust oder wann du zurückkommst, und dann willst du mich gleich zum Schweigen bringen. Na gut, ich bin ja schon ruhig, aber nur, weil ich keine andere Wahl habe.
    »Tut mir leid, Sadie«, flüstere ich ihr ins Ohr. »Ich kann es dir jetzt nicht ausführlich erklären, aber ich musste einfach weg. Es war sehr wichtig. Und ich konnte dich nicht mitnehmen, weil Hunde dort nicht hinkönnen … wo ich war. Du brauchst mich gar nicht so anzuschauen. Du verstehst das nicht, weil du nicht einen Tropfen Mer-Blut in dir hast. Vielleicht ist das dein Glück.«
    Aus der Tiefe ihrer Kehle dringt ein klagender Laut. Ihr ist immer noch unwohl, so wie Mum. Irgendwas raubt ihr die Ruhe. Vielleicht ist es nur der Sturm. Hunde sind viel wetterfühliger als Menschen.
    »Ach, Roger, ich habe solche Kopfschmerzen«, sagt Mum. Sonst beklagt sie sich fast nie und ist auch fast nie krank.
    »Du musst dringend ins Bett, Jennie«, sagt Roger. »Sapphire macht dir einen Tee und du solltest auch ein Paracetamol nehmen. Du glühst

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