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Nixenmagier

Nixenmagier

Titel: Nixenmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Dunmore
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eingesammelt und nacheinander durch die Öffnung geschoben. Wir haben sie auf dem Boden verteilt und uns hingelegt, um uns ein bisschen auszuruhen. Dann müssen wir eingeschlafen sein.
    Rainbow hat die Kerze so auf einen Umzugskarton gestellt, dass nichts in Brand geraten konnte. Mum sagte, die Kerze müsste vierzig Stunden lang brennen. Vierzig Stunden! Wäre es möglich, dass wir vierzig Stunden lang warten müssen, bis jemand kommt, um uns zu retten? Dieser Dachboden ist eigentlich nicht für Menschen gemacht. Er ist niedrig und eng, voller Staub und Spinnweben. Vielleicht gibt es hier auch Mäuse. Mäuse machen mir nichts aus, ganz im Gegensatz zu Ratten.
    Ich wünschte, ich würde immer noch schlafen, so wie Mum, Sadie und Rainbow. Sie sehen so friedlich aus. Ich frage mich, ob ich zum Fenster kriechen kann, ohne sie zu wecken. Dann könnte ich einen Blick nach draußen werfen. Es wird doch bestimmt bald ein Boot kommen. Wir haben einen Hubschrauber gehört, als wir Mum die Leiter hinaufhalfen. Rainbow und ich meinten, es sei ein Rettungshubschrauber. Er flog sehr niedrig, es knatterte über unseren Köpfen, dann sahen wir den Lichtkegel eines Suchscheinwerfers. Doch plötzlich war er wieder verschwunden. Ich dachte eigentlich, dass im Nu zahlreiche Rettungsfahrzeuge auftauchen würden. So ist das jedenfalls im Fernsehen,
wenn es eine Flutkatastrophe gibt. Dann sieht man überall Hubschrauber und Boote, und sogar Rundfunk und Fernsehen sind anwesend, um das Drama zu dokumentieren. Ich kann mir nur einen Grund denken, warum noch keine Rettungsfahrzeuge hier sind, und der ist äußerst beunruhigend. Vielleicht ist das Ausmaß der Katastrophe so groß, dass nicht genug Fahrzeuge vorhanden sind, um all die überfluteten Städte und Gemeinden entlang der Küste zu versorgen.
    Ich schaudere. Indigo hat seine Grenzen gesprengt. Verstehen die Mer überhaupt, was das für Folgen hat? Ist Faro das klar? Haben sie die Verwüstung gewollt?
    Das kleine viereckige Fenster unterm Giebel ist wie Conors Fenster in unserem alten Haus. Der Mond scheint direkt hinein. Kann ich dorthin gelangen, ohne Sadie aufzuschrecken?
    Auf einmal höre ich ein Geräusch, und sofort weiß ich, dass es dasselbe Geräusch ist, das mich geweckt hat. Ein Pfeifen. Irgendjemand pfeift.
    Vorsichtig schlängele ich mich zur Falltür. Sadie liegt vollkommen unbeweglich da, obwohl ich normalerweise keinen Schritt tun kann, ohne dass sie mich begleiten will. Ich bin ihr so nah, dass ich die Wärme ihres Körpers spüre und ihren Atem höre. Es ist das tiefe, regelmäßige Atmen eines Hundes, der von sonnigen Feldern voller Hasen träumt. Ich erreiche die offene Falltür und schaue nach unten. Niemand da. Woher sollte auch das Pfeifen in einem überfluteten Haus kommen? Die Leiter steht im Wasser. Es hat also inzwischen den ersten Stock erreicht und leckt bedrohlich an den unteren Sprossen. Ein Anflug von Panik erfasst mich. Reiß dich zusammen, Sapphire. Das Wasser kann nicht immer
weiter und weiter steigen. Bald wird es seinen höchsten Punkt erreicht haben. Hier oben sind wir in Sicherheit. Nie und nimmer wird die Flut höher steigen als das Haus. Sadie würde nicht so ruhig schlafen, wenn wir wirklich in Gefahr wären.
    All dies sage ich mir, dann kehre ich der Falltür und dem dunkel-bedrohlichen Wasser den Rücken und versuche, an etwas anderes zu denken. Ich muss nachdenken, einen Plan ersinnen. Wenn niemand zu unserer Rettung kommt, müssen wir uns selbst retten.
    Wieder dieses Pfeifen! Nur noch lauter. Näher. Zwei Töne – ein langer und ein kurzer. Mein Herz macht einen Sprung. Es gibt nur einen, der so pfeift. Das ist ein Signal. Es kommt von Conor.
    Aber wo ist er? Doch nicht draußen in den Fluten. Irgendwo muss er in Sicherheit sein. Roger würde nicht zulassen, dass Conor ein Risiko eingeht.
    Vielleicht sind sie beide da! Vielleicht sind sie in Rogers Boot gekommen. So muss es sein. Roger wird uns weiter nach oben in Sicherheit bringen. Ich öffne meinen Mund, um Mum und Rainbow die gute Nachricht zu überbringen, schließe ihn jedoch sogleich wieder. Was ist, wenn es sich nicht um ein Boot, sondern nur um ein Produkt von Sapphires lebhafter Fantasie handelt, wie Dad sich ausgedrückt hätte.
    Ich drehe mich um und krieche über die unebenen, rauen Planken, schiebe Kisten beiseite und wirbele Staub auf, der mir das Atmen erschwert. Ich darf nicht husten oder niesen. Das Fenster ist schmutzig, doch das helle Mondlicht sickert trotzdem

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