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Titel: nmp06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Gewerkschaftshaus. In meinem Beruf hat man oft mit Hotelpersonal zu tun, mit Kellnern oder Pagen. Nicht schlecht, wenn man den Beichtvater dieser Jungen kennt. René Hervé leitete seit langem die Geschicke ihrer Gewerkschaft. Als mein langjähriger Freund hatte er sich daran gewöhnt, für mich das Berufsgeheimnis zu verletzen, ohne seinen Schützlingen Unannehmlichkeiten zu bereiten. Denn ich verhalte mich korrekt und mach ihnen keinen Arger . Ich versuchte, ihn vom Échaudé aus anzurufen. Er war aber leider nicht mehr in der Rue du Château-d’Eau.
    Später am Abend konnte ich ihn in seinem Hotel erreichen. Er wohnte nämlich im Hotel. Vielleicht wurde er von Nichtorganisierten bedient. Ich bat René um die Adresse von Bernard Lebailly, falls dieser eine hatte und bei ihm Mitglied war. Er versprach sie mir für den nächsten Morgen.

    * * *

    Samstag morgen , den 11 .Juni, rief er mich gegen zehn Uhr an: „Der ist nicht mehr bei uns. Vor etwa einem Jahr ist er ausgetreten. Damals wohnte er in der Rue du Pont-de-Lodi, aber jetzt...“
    „Man zieht nicht mehr so schnell um wie vor dem Krieg“, sagte ich. „Danke jedenfalls.“
    Das entsprechende Mietshaus in der Rue du Pont-de-Lodi sah sehr bescheiden aus. An Miete brachte es sicher nicht viel ein. Die Concierge erinnerte nur sehr entfernt an Martine Carol.
    „Polizei“, sagte ich im schroffen Ton eines schroffen Polizisten. Dazu hielt ich ihr einen Ausweis vom Touring-Club unter die Nase, damit sie was von der großen weiten Welt sah. „Vielleicht war schon jemand hier, aber...“
    „Polizei?“ empörte sie sich. „Nein, von der Polizei war niemand hier. Warum sollte einer hier gewesen sein? Dies ist ein ehrenwertes Haus...“
    „Daran zweifelt auch niemand. Nur liegt da nicht das Problem. Bernard Lebailly wohnt doch hier, oder?“
    „Natürlich wohnt er hier. Hat ein kleines Zimmer, oben unterm Dach. Was wollen Sie von ihm?“
    „Mit ihm reden. Ist er zu Hause?“
    „Er ist sehr selten zu Hause. Klar, bei seinem Beruf...“
    „Im Moment ist er arbeitslos. Nachlässigkeit im Dienst. War im Diderot-Hôtel angestellt, da, wo man diesen Schwarzen umgebracht hat…“
    „Auch wenn Sie von der Polizei sind... Sie erzählen mir da nichts Neues. Monsieur Lebailly hat mir gesagt, daß er rausge- I schmissen worden ist... Ein Jammer ist das... wegen einem Neger... Ach, da fällt mir ein... aber... sagen Sie mal... Hab ihn seitdem nicht mehr gesehen, seit er mir’s erzählt hat... Wird doch nicht... wird doch nicht...“
    „Wird doch nicht was?“
    „Sich aufgehängt haben? Gibt welche, die hängen sich auf, wenn Sie keine Arbeit mehr haben. Hier im Haus auch schon mal einer. Wir müssen nachsehen... wir beide... Sie sind doch von der Polizei...“
    Sie holte einen Passepartout. Dann stiegen wir gemeinsam unters Dach. Bernard Lebailly hatte sich nicht aufgehängt. Auch nicht vergiftet. Überhaupt nichts. Sein schäbiges Zimmer stank vor Dreck. Aber, wie die Concierge sagte, bei seinem Beruf war er nicht häufig zu Hause. Ich warf nur einen kurzen Blick hinein. Das Bett war etwa während der letzten Kriegserklärung zum letzten Mal frisch bezogen worden. Drei zerfledderte Kriminalromane genossen die wohlverdiente Ruhe auf einem wackligen Stuhl. Sonst sah ich nichts, was mich interessierte.
    „Ach ja!“ seufzte die Concierge. „Ich muß mich immer gleich so aufregen. Ist aber auch Ihre Schuld. Hätten Sie mir keinen Schrecken eingejagt... Ist doch ganz einfach: Seit neulich hab ich ihn nicht gesehen. Und danach? Er sucht Arbeit, klar! Geht früh weg und kommt spät wieder.“
    „Gut möglich“, pflichtete ich ihr bei.
    Wir gingen wieder runter.
    „Wenn ich ihn seh, soll ich ihm dann sagen, er soll zu Ihnen kommen, M’sieur Inschpekter?“
    „Nein. Ich komm wieder vorbei.“
    „Ein Jammer ist das“, brummte sie vor sich hin. „Und alles wegen einem Neger! Als gäb’s nicht genug davon hier in der Gegend! Wohlgemerkt, hab nichts dagegen, aber ich sag, wie’s j
    iss. Die Schwarzen lassen sich abmurksen, und die Weißen haben den Ärger...“
    Ich ließ die Alte mit ihren rassistischen Betrachtungen alleine. Von der nächstbesten Telefonzelle rief ich Hervé an.
    „Noch eine zusätzliche Information, bitte“, bat ich ihn. „Mein Zeuge hat seine Stelle verloren. Ich möchte wissen, ob er ‘ne neue sucht. Wo hängt die Arbeitsvermittlung rum?“
    „Nur für Mitglieder. Die Nichtorganisierten suchen auf eigene Faust.“
    „Und wie?“
    „Gibt

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