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Titel: nmp06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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so ‘ne Art Agenturen. In irgendwelchen Bistros. Warte, ich geb dir ‘n paar Adressen.“
    Eine dieser „Agenturen“ befand sich in der Rue Guisarde. Das war die nächste, also nahm ich sie mir als erste vor. Nah oder weit, jedenfalls brachte mich dieser Bernard Lebailly ganz schön auf Trab. Und vielleicht für die Katz. Obwohl... Nein. Ich hatte das Gefühl, irgendetwas in der Hand zu haben. Eine Spur. Fein und dünn wie ein Nylonfaden. Und vielleicht weniger strapazierfähig. Trotzdem, besser als nichts.
    Das kleine Bistro in der Rue Guisarde befand sich ganz in der Nähe des Grand-15. Dieses neue Restaurant zieht die allgemeine Aufmerksamkeit durch eine rote Laterne von Marthe Richard auf sich. Die getarnte Agentur war ein Reinfall. Niemand schien geneigt, mir einen Tip zu geben. Ich beschloß, meine Zeit nicht länger zu vertrödeln und abzuhauen. Über die Rue des Canettes und die Rue des Ciseaux gelangte ich wieder auf den Boulevard Saint-Germain. Ein flüchtiger Blick hinüber zum ungesunden Diderot-Hôtel. Dann nach links. Ich war gerade darin vertieft, die köstlichen Bilder von normalen und anormalen Lebergrößen in den Schaukästen der Nationalen Liga gegen den Alkoholismus miteinander zu vergleichen. Da rief eine fröhliche Stimme hinter mir: „So in Sorge, Dynamit-Burma?“
    Nur einer in Paris konnte das sein: Paul Boubal, patron des Flore. Ich drehte mich um. Er war’s wirklich. Innerlich verzog ich das Gesicht. War mir nicht ganz sicher, ob ich ihm noch Geld schuldete. Aber er wußte es bestimmt.
    „Oh! Salut“, begrüßte ich ihn. „Hab grade festgestellt, daß so ‘ne kranke Leber viel mehr hergibt als eine normale, ästhetisch meine ich. Welche Farbenpracht! Genau das Richtige, um die Maler hier im Viertel zu inspirieren.“
    „Sag ich doch immer“, lachte Boubal. „Und sonst, geht’s?“
    „Geht so.“
    „Wolltest du zu mir?“
    „Äh... hm...“
    Er nahm meinen Arm.
    „Gehen wir zusammen. Ich zahle.“
    „Um Gottes willen, nicht so hastig! Ich könnte herzkrank geworden sein, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben...“
    Wir überquerten den Boulevard, gingen erhobenen Hauptes am Deux Magots vorbei ins Flore und setzten uns an den Tisch neben der Kasse.
    „Zwei Kleine, Pascal.“
    „Guten Tag, M’sieur Burma. Schön, Sie wieder mal zu sehen“, begrüßte mich der sympathische Kellner sehr freundlich , als er die Getränke brachte.
    „Salut, Pascal.“
    „Auf dein Wohl“, prostete mir Boubal zu.
    „Und keine Scherben!“
    „Da fällt mir was ein“, sagte der patrón des Flore stirnrunzelnd.
    Er stand auf und verschwand in der Küche. Wahrscheinlich sah er nach seinem Geschirr. Scherben bringen Glück. Aber Boubal hat lieber etwas weniger Glück und dafür mehr heiles Geschirr. So war er immer schon, jedenfalls die fünfzehn Jahre, die ich ihn kenne.
    Ich sah mich im Café um. Das gute alte Flore! Hatte sich kaum verändert. Höchstens die Gäste, vielleicht. Aus einer Ecke des Lokals winkte mir jemand freundschaftlich zu. Ein eleganter Herr mit schneeweißem Haar. Monsieur Germain Saint-Germain höchstpersönlich, umgeben von einer kleinen Schar von Bewunderern und — innen in Bluejeans. Rechts vom Meister der junge Dichter mit dem feisten, wächsernen Gesicht: Rémy Brandwell. Auch Verodat war dabei, der junge Mann, der den Schriftsteller wie stinkenden Fisch beschimpft hatte. Alle wieder versöhnt , dicke Freunde, als wär nichts geschehen. So wie’s aussah, ersetzte der Bestseller-Autor ganz alleine Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir gleichzeitig.
    Ich winkte ziemlich reserviert zurück und sah schnell woanders hin, um jeden weiteren Annäherungsversuch im Keim zu ersticken.
    Pascal gab gerade einem Gast das Wechselgeld zurück. Der Gast stützte seinen Kopf in die rechte Hand und schien nachzudenken.
    „Tja, jetzt sitzt du vor der Theke“, sagte Pascal zu ihm.
    „Jeder ist mal dran, sich bedienen zu lassen“, erwiderte der Gast.
    „Genieß es. Wird nicht lange dauern. Man muß leben.“
    „Im Augenblick laß ich mich treiben.“
    Pascal steckte das Trinkgeld ein und ging weg. Jetzt konnte ich den Gast richtig sehen. Auch hatte er nicht mehr seine Wange in die Hand gestützt, und... Verdammter Boubal! Dafür, daß er mir von Nutzen gewesen war, wenn auch unfreiwillig, mußte ich doch noch meine Schulden bei ihm bezahlen!
    Der Junge, der sich gerade auf die Socken machen wollte, hatte eine Narbe auf der Wange. Er war zwischen dreißig und vierzig,

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